"Die TZI auf dem Weg in die Kirche" ist ein Aufsatz, den ich im Jahr 2006 verfasst habe

Die TZI auf dem Weg in die Kirche

1. Begegnungen

2. TZI in der Kirche

1. Seelsorgebewegung und TZI

2. Ein katholisches Beispiel Bernhard Honsel: der rote Punkt

3. Ein evangelisches Beispiel: TZI in der hannoverschen Landeskirche

4. Die Fachgruppe TZI und Theologie

3. Was die Präsenz der Kirche für die TZI bedeutet

4. Zum inneren Zusammenhang von Kirche und TZI

5. Konkretionen: einige kirchliche Arbeitsfelder

1. Gruppenarbeit

2. Seelsorge

3. Predigt und Gottesdienst

4. TZI im Gemeindeaufbau

6. Ausblick

 

1. Begegnungen

 

Ich habe 1974 in Bethel begonnen, Theologie zu studieren. Dort lehrte Dietrich Stollberg praktische Theologie. Seine Seminare und Vorlesungen führten den Untertitel: „themenzentriert – interaktionell“. Ich habe keine seiner Veranstaltungen besucht und die Chance verpasst, die Einführung der TZI ins akademische Lehren mitzuerleben. In meiner Vorstellung gehörte praktische Theologie mehr ans Ende des Studiums und von meinen Kommilitonen konnte mir niemand richtig erklären, was themenzentriert - interaktionell bedeutete. Neugierig und skeptisch beäugten wir diesen Versuch, das alte Lernschema „zuerst die Theorie, dann die Praxis als Anwendung“, so radikal in Frage zu stellen.

 

In der „gelebten Geschichte der Psychotherapie“ beschreibt Ruth Cohn einen überraschenden Effekt der Einführung von TZI in Europa: „In New York hatte ich kaum je mit Theologen, Pfarrern oder Rabbinern zu tun gehabt. In Europa kam ich plötzlich durch meine Arbeit mit vielen Theologen und Geistlichen zusammen“ (Cohn 1984, 518).

 

Ruth Cohn hat (ebd. 400 ff.) Freunde gebeten, ihr Erleben über über die Verbreitung von TZI in Europa zu beschreiben. Von fünf Briefschreibern kommen drei aus einem kirchlichen Umfeld: Karl Horst Wrage, der in der hannoverschen Landeskirche in der Aus- und Fortbildung arbeitete, Joseph Mayer-Scheu, Krankenhausseelsorger in Heidelberg und Dietrich Stollberg, Theologieprofessor in Marburg. Das macht deutlich, wie wichtig für Ruth Cohn kirchliche Gesprächspartner waren.

Der Kontakt ihnen -besonders mit Matthias Kroeger (Theologieprofessor und Eheberater in Hamburg) – habe ihr geholfen, religiöse Gedanken wieder aufzunehmen, die sie seit ihrer Adoleszenz selten beschäftigt hätten, schreibt Ruth Cohn (ebd., 519), für sie ein Schritt auf dem Weg zur holistischen Schau dessen, was ist.

 

Matthias Kroeger hat auch das erste Buch über die TZI geschrieben: 1973 erschien in erster Auflage das Buch: „Themenzentrierte Seelsorge“ (Kroeger, 1983 (3. Auflage)), in dem er sich auch ausführlich mit dem inneren Zusammenhang zwischen TZI und kirchlicher Arbeit auseinander setzt.

 

2. TZI in der Kirche

 

2.1. Seelsorgebewegung und TZI

 

Aus Amerika kam während der 60er Jahre die Seelsorgebewegung nach Deutschland. „Die Gruppe“ wurde ein Thema. Kirchliche Mitarbeiter nahmen an Encounter- und T- Groups teil. Vor allem das Konzept der Klinischen Seelsorgeausbildung für Pastoren und das Modell der Balintgruppen auch für kirchliche Mitarbeiter setzten sich als erste Praxismodelle für das Lernen in Gruppen durch. Man erhoffte sich durch das Gruppentraining, dass Pastoren in seelsorgerlichen Situationen ihr Gegenüber und die Gesprächsituation sensibler wahrzunehmen lernten.

 

Unter dem Thema „Gruppendynamik“ entfachte sich eine heftige Diskussion zwischen ihren Befürwortern und frommen Gegnern, die den Verdacht hatten, hier würden Menschen manipuliert und die Verkündigung der Kirche verflacht.

 

Die TZI erschien mit ihrer Betonung der Balance zwischen thematischen, persönlichen und Gruppenanliegen als ein guter Kompromiss zum persönlichkeitsorientierten lebendigen Lernen, ohne die Inhalte der christlichen Verkündigung zu vernachlässigen. Gleichzeitig schienen viele Elemente der TZI an schon vorhandene kirchliche Formen anzuknüpfen.

 

Ein prominenter Befürworter der TZI im Bereich der evangelischen Kirche ist etwa Jörg Zink, der Fernsehpfarrer und Bestsellerautor. In seinem Buch „Das biblische Gespräch“ (1978) wehrt er sich gegen Formen der Gruppendynamik, die zu sehr „die großen und kleinen Leiden des Teilnehmers“ (S. 181) kultivieren. Er beschreibt das „schaurige Fremdwort“ der sogenannten „themenzentrierten Interaktion“: „Da sind ein paar Menschen, die miteinander reden, miteinander spielen, miteinander umgehen, irgendetwas miteinander tun. Es geht zwischen ihnen etwas hin und her. Das heißt „Interaktion. Was aber zwischen ihnen hin und her geht, das sind nicht in erster Linie ihre Sorgen,... ihre Urteile, sondern ein Thema“ (ebd S. 181). Zink erläutert das Dreieck, erwähnt die Hilfsregeln und weist darauf hin, dass das, was in der TZI geschieht „nur als methodische Ausformung neu“ sei, „im Grunde geschieht sie seit Jahrhunderten in jedem guten Kreis schwäbischer Stundenbrüder“ (eine Lebensform schwäbisch-pietistischen Glaubens, UH) (ebd. 183). Zink versucht hier mit theologischen Argumenten in der z.T. erregten Debatte um Gruppendynamik eine Lanze für die TZI zu brechen.

 

2.2. Zwei katholische Beispiele

 

Bernhard Honsel, TZI-Graduierter und (damals) Gemeindepfarrer beschreibt in seinem Buch: Der rote Punkt (1985) den Weg der Gemeinde St. Ludwig in Ibbenbühren. Bei dem Versuch, Gemeindearbeit zu reformieren und partitzipatorisch neu zu gestalten, entdeckten sie die TZI als methodisch-didaktischen Weg. In der Gemeinde werden TZI -Seminare abgehalten, die es den Gemeindegliedern ermöglichen, in verschiedenen Bereichen der Gruppenarbeit Leitungsfunktionen zu übernehmen.

 

Helga Modesto (2004) trug die TZI – Arbeit in die katholische Weltkirche, in dem sie Kurse in lateinamerikanischen Ländern, Russland und Indien anbot. Das war ein wichtiger Schritt zum Übergang von TZI in andere Kulturen

 

2.3. Ein evangelisches Beispiel: TZI in der hannoverschen Landeskirche

 

Schon bald nachdem er 1970 einen Workshop mit Ruth Cohn erlebt hatte (siehe Cohn 1984, 379 ff) organisierte Karl Horst Wrage 1971 in Niedersachsen die ersten TZI-Kurse. Dies geschah in Kooperation zwischen der hannoverschen Landeskirche, dem Lehrinstitut für Psychotherapie und Psychoanalyse und der Medizinischen Hochschule in Hannover. Einige hannoversche Pastoren lernten gemeinsam mit Psychoanalytikern und Psychotherapeuten die neue Form der Gruppenarbeit.

 

Die hannoversche Landeskirche nahm die TZI in ihr Fortbildungsangebot auf. Im Lauf der Jahre entwickelte sie ein ausgedehntes Kursangebot. Unter den TZI-Kursen gab es Methodenkurse, die die Gruppenleitungskompetenz der kirchlichen MitarbeiterInnen erweiterten, Persönlichkeitskurse, die das TZI-Konzept und Wahlarbeitsgruppen, z.T. auch Krisenkurse, die jeweils auf kirchliche Bedürfnisse zugeschnitten waren.

Die Fortsetzung der TZI - Ausbildung bis zum Diplom fand und findet dann im RCI statt.

 

2.4. Die Fachgruppe TZI und Theologie

 

1999 bildete sich die „Fachgruppe TZI und Theologie“, ein Forum katholischer und evangelischer TheologInnen, das die Wechselwirkungen zwischen der TZI und der Theologie und der kirchlichen Arbeit thematisiert und die kommunikative Theologie in ihrer Entwicklung begleitet.

 

3. Was die Präsenz der Kirchen für die TZI bedeutet

 

Die Kirchen waren die ersten großen Institutionen, die es ihren Mitarbeitern ermöglicht haben TZI zu lernen, und, die eigene TZI-Kurse in ihr Fortbildungsangebot aufnahmen. Die Kirchen sind damit für die TZI zu einem wichtigen Lebensraum geworden. In den Kirchen hat die TZI starke Partner geworden, die mit ihr das Interesse an menschlicher Entwicklung und menschlichem Wachstum teilen.

 

Wo die Kirchen TZI in ihr Fortbildungsangebot aufnahmen, haben sie hauptamtliche MitarbeiterInnen in der TZI-Ausbildung unterstützt und Kurse organisiert, die auch für ehrenamtliche MitarbeiterInnen erschwinglich waren. Diese Ehrenamtlichen haben ihrerseits Gruppen in der Kirche nach TZI oder mit TZI-Elementen angeleitet.

 

So konnten und können viele Menschen TZI lernen, die sie nicht beruflich verwenden wollen, sondern sie für ihr persönliches Wachstum und ehrenamtliches Engagement benötigen.

Eine zweite Konsequenz ist inhaltlicher Art. Durch die Aufnahme in den Kirchen begleitet die TZI in Europa von Anfang an die Frage: „Wie lassen sich Themen des Glaubens als TZI-Themen verstehen?“ Wenn die „großen“ religiösen Themen von gelingendem und begrenztem Leben, von Schuld und Vergebung zum menschlichen Leben gehören, dann trägt es zur Humanität der TZI bei, wenn sie diese Themen integriert.

 

4. Und umgekehrt: TZI in der Kirche

 

Das Konzept der TZI insgesamt stellt die Frage, wie Kommunikation in der Kirche abläuft: wer kommuniziert wie mit wem in der „Gemeinschaft der Gläubigen“? Von wem und wie werden Themen des Glaubens eingeführt? Wer leitet auf welche Weise? Diesen Fragestellungen stellt sich die kommunikative Theologie.

Daneben findet die TZI praktische Anwendung in vielen kirchlichen Arbeitsfeldern. Ich nenne beispielhaft:

 

4.1. Gruppenarbeit

 

Die Gruppenarbeit ist die genuine Form der TZI. In Bibelkreisen und Gesprächsgruppen über den Glauben aber auch in der Gremienarbeit oder im kirchlichen Unterricht bietet es sich direkt an, das Konzept der TZI anzuwenden.

 

Hier hat TZI breitere Wirkungen gezeigt. Aus dem amerikanischen Raum kommen in den letzten Jahren Modelle von Kursen, die implizit und explizit auf TZI-Gedanken rekurrieren.

 

Weit verbreitet ist etwa der Kurs „Wort und Antwort“, der von der Gemeindeakademie der VELKD in Celle vertrieben wird. Im Vorbereitungsmaterial werden ausdrücklich die TZI-Hilfsregeln zitiert und die Autoren nennen als Grundstruktur des Kurses das Dreieck: Meine Geschichte – deine Geschichte – seine Geschichte, die miteinander in Interaktion kommen sollen.

 

4.2. Seelsorge

 

Im seelsorgerlichen Gespräch ist es förderlich, mehr zuzuhören und weniger zu verkündigen, das betont die Seelsorgebewegung. Wie kann man aber, so lautet die kritische Anfrage, beim Zuhören die Botschaft zum Zuge bringen?

 

Hier sieht Matthias Kroeger die TZI in einer Vermittlerrolle. Sie „ermöglicht es, der Selbsterfahrung spezifische Themen anzubieten, in denen das Proprium christlicher Theologie zur Erfahrung gebracht werden kann – ohne der gerechten Kritik suggestiven Verhaltens zu verfallen“ (1983, 206) . Er schreibt: „Dies ist der gesuchte Stil des Seelsorgers: hinhören und sprechen, ganz zugewandt und sich einbringend, entwickeln lassen und Neues hinzubringen.“(ebd 209).

 

4.3. Gottesdienst

 

Ein Gottesdienst ist ein Gruppengeschehen Gesang, Predigt, Gebet sind Teil eines Interaktionsgeschehens zwischen dem Liturgen und Prediger, der Gemeinde und Gott.

 

Das TZI-Strukturmodell ist hilfreich beim Vorbereiten des Gottesdienstes. Ein Gottesdienst hat in der Regel eine Thematik, die definiert wird durch die Texte, die für den Sonntag vorgeschlagen sind.

 

Weitere Fragen sind: Die Gottesdienstteilnehmer bilden ein „Wir“ – was spielt für dieses „Wir“ eine Rolle? Was für Themen liegen in der Luft? Was können und wollen die Texte der Gemeinde sagen, wie wird sie emotional und intellektuell reagieren? Wie sieht die Gemeinde ihren Pastor, wie der Pastor die Gemeinde? Thematik, das Wir und die Situation der Ichs bilden den Ausgangspunkt für ein TZI-gemäßes Thema, das, genannt oder ungenannt den Gottesdienst ordnet.

 

Die Matrix, die Matthias Kroeger für die Vorbereitung von Gruppenstunden vorgeschlagen hat (1983, S. 237 ff) erweist sich in abgewandelter Form sich auch hier als hilfreiches Instrument.

 

4.4. TZI in der Gemeindeleitung

 

Eine Gemeinde ist keine (Klein)gruppe im TZI Sinn. Trotzdem kann es sinnvoll sein, das Gebilde „Kirchengemeinde“ als Gruppe aufzufassen, in der eine Balance von Förderung der Einzelnen und der Gemeinschaft angestrebt werden soll, in der Themen entwickelt, genannt und bearbeitet werden. Ein Thema wie: „Was will ich (wollen wir) dafür tun, damit wir als Gemeinde mehr Jugendliche erreichen?“ kann durch die verschiedenen Gremien der Gemeinde bearbeitet und schließlich in einer Gemeindeversammlung besprochen werden.

 

5. Ausblick

 

Für die Zukunft scheint es mir entscheidend zu sein, ob die Kirchen genutzt werden als Raum, in dem humanistisch-ganzheitliches Lernen möglich ist. Es wird darum gehen, dass gute TZI - LehrerInnnen der Kirche helfen, ein Raum zu bleiben, in dem Erfahrungen lebendigen Lernens gemacht werden können.

Wenn in den Kirchen die Lernprozesse lebendig organisiert werden, dann wird ihnen das helfen, ihr eigenes Thema bewusst zu halten: daran zu erinnern, dass es „was Bessres in der Welt/ als all ihr Schmerz und Lust“ (Matthias Claudius) gibt.

 

Umgekehrt müssten kirchliche Vertreter im Bereich der TZI auf ihre Weise Anwalt einer Ganzheitlichkeit sein, die mit beinhaltet, dass wir „ein Staubkorn des Universums und eine bange Seele vor Gott“ sind, wie es Friedemann Schulz von Thun im Gespräch mit Ruth Cohn (Ruth C. Cohn, Friedemann Schulz von Thun 1994) genannt hat.

 

LITERATUR:

Ruth C. Cohn, Friedemann Schulz von Thun (1994): Wir sind Politiker und Politikerinnen – wir alle! Ein Gespräch über mögliche Hilfen von TZI und Kommunikationslehre. In: Rüdiger Stanhardt/Cornelia Löhmer(Hrsg): Zur Tat befreien. Mainz Matthias- Grünewald, S. 30 – 64

 

Dieter Funke (1984): Verkündigung zwischen Tradition und Interaktion. Frankfurt am Main: Lang

 

Dieter Funke (1985): Glaubensgesprächskreise in der Gemeinde. Ein Modell nach TZI. In Birmelin, R. ua: Erfahrungen lebendigen Lernens. Mainz: Matthias-Grünewald

 

Bernhard Honsel (1985): Der rote Punkt. Düsseldorf: Patmos

Matthias Kroeger (1983): Themenzentrierte Seelsorge. Stuttgart: Kohlhammer

 

KarlJosef Ludwig (1997) (Hrsg.): Im Ursprung ist Beziehung. Theologisches Lernen als themenzentrierte Interaktion. Mainz: Matthias-Grünewald

 

Helga Modesto (2004): TZI in Indien und Brasilien. In Themenzentrierte Interaktion 18,2 S. 66-69

 

Matthias Scharer (1992): TZI in der kirchlichen Praxis. In Löhmer, C.; Stanhardt, R. (Hrsg.): TZI. Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 312 - 325

 

Matthias Scharer (2002): Der Geist weht, wo er will. In: Themenzentrierte Interaktion 16, 1, S. 70-80

 

Klaus-Volker Schütz(1989): Gruppenarbeit in der Kirche. Mainz : Matthias-Grünewald-Verlag

 

Jörg Zink (1978) Das biblische Gespräch. Gelnhausen/Freiburg: Burckhardthaus-Verlag