Predigt am 14. Sonntag nach Trinitatis über 1. Mos 28, 1- 19a 22. September 2019

 

Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. Und der Herr stand oben darauf und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nicht anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf und nannte die Stätte Bethel.

 

Ihm träumte – ich liebe diese altertümliche Formulierung. Ich finde sie wahr. Träumen, das das tue ich ja nicht aktiv.. Sondern: ein Traum kommt zu mir. Mir träumt etwas.

 

Manchmal ja nicht nur ein Traum, auch ein Gedanke kann mich anfliegen. Wissen Sie noch, wie das heißt? (Antwort: mich deucht).

 

Beides schöne Formulierungen dafür, dass es Dinge im Leben gibt, die ich besser geschehen lasse. Ich kann mir – oder anderen – schöne Träume wünschen oder gute Gedanken, aber machen kann ich sie nicht.

 

Aber für was ist das wichtig?

 

Wenn sich etwas im Leben klären muss. Zum Beispiel, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffen will. Manchmal gibt es Dinge im Kopf wie ein Puzzle, das passt noch nicht zusammen. Ich muss die Teile noch hin- und herschieben, vielleicht stimmt es dann.

 

Ich habe vor ein paar Tagen einen Krimi gesehen. Da hat die Kommissarin gesagt: Irgendwas stimmt noch nicht – aber ich weiß noch nicht, was.

 

Ich erinnere mich, in der 11./12. Klasse, da wusste ich nicht, was ich werden sollte. Naturwissenschaften schienen mir sehr verlockend, Theologie lernen auch.

 

Damals habe ich in einer evangelischen Jugendarbeit mitgemacht, Hannover Linden, das war so 13 km von unserer Wohnung entfernt. Ich konnte mit Bus und Stadtbahn dahin fahren aber auch mit dem Fahrrad. Ich bin gern mit dem Fahrrad gefahren.

 

Dort ging es so bis ½ 10 oder 10, dann fuhr ich los, die ersten km ging es durch Hannover, dann habe ich die Autobahn Berlin – Dortmund gekreuzt, dann kam Langenhagen, da waren dann eher schon mal Felder. Ich fuhr immer auf einem Feldweg mit Bäumen entlang. An einem Baum hielt ich an und betete. Nicht mit Worten – ich ließ einfach die Bilder vom Tag durch mich hindurchziehen mit der Bitte an Gott: ordne meine Gedanken. Zeig mir meinen Weg.

 

Irgendwann hatte ich dann das Gefühl: es stimmt. Es stimmt, wenn ich anfange, Theologie zu studieren. Und ich habe heute immer noch das Gefühl: Der Weg war für mich richtig. Die Entscheidung hätte ich nicht herbeizwingen können. Die musste reifen. Dazu gehört das Gebet, die Bitte an Gott, mir den Weg zu zeigen.

 

 

 

Jakobs Geschichte: Er ist auf der Flucht, weil er seinen Bruder übers Ohr gehauen hat. Der Erstgeborene war damals der Haupterbe. Er bekam den besten Segen.

 

Jakob hatte einen Zwillingsbruder, Esau, der war ganz knapp vor ihm geboren. Dauernd lagen sie im Streit. Dann spürte Isaak, der Vater, dass er bald sterben würde. Er wollte seine Söhne segnen und rief sie zu sich. Jakob war schneller, er gab sich für Esau aus. Er bekam den Erstgeborenensegen.

 

Esau war so wütend, dass er ihn hätte umbringen können. Also floh Jakob. Er läuft, so weit er kann. Dann legt er sich schlafen und erlebt das mit der Himmelsleiter.

 

Ein bisschen so ähnlich. Wie ich damals, weiß Jakob nicht, wo es hingehen sollte. Wie ich damals hatte er keine Ahnung, welcher Weg gut sein würde.

 

Er rechnet mit allem, bloß nicht damit, dass er den Himmel offen sieht und Gott ihm sagt: Ich halte zu dir. Ich werde dich segnen.

 

Nach dem Traum mit der Himmelsleiter geht Jakob weiter. Was ist der Unterschied? Wie geht er von Bethel aus weiter?

 

Es sind zwei Dinge. Das eine ist: Jakob weiß jetzt: Gott geht mit. Er weiß noch nicht genau seine konkreten Schritte. Er weiß noch nicht genau, was passieren wird. Aber: er kann diese Schritte mit einer größeren Gelassenheit gehen. Er kann sich ja sicher sein: Gott wird mich schon bremsen, wenn ich völlig in die falsche Richtung gehe – und wenn ich es brauche, wird er mir den Weg zeigen, oder mich anstupsen.

 

Das hat Gott dann auch getan. Jakob hat einen guten Ort gefunden, er hat geheiratet und am Ende hat er sich sogar mit seinem Bruder Esau versöhnt.

 

Und der zweite Unterschied.: Jakob hat einen Ort bekommen, von dem er weiß: da ist der Durchgang zum Himmel. Ein heiliger Ort.

 

Wenn er später wieder an diese Stelle kommt, dann wird schon von Weitem die Frage in ihm wach: Und jetzt? Begegnet Gott mir wieder?

 

Genauso die Menschen später. Später wurde aus dem Ort ein richtiges Heiligtum. Die Menschen, die kamen, die spürten noch nach vielen Jahren: hier hat Gott mit Jakob geredet. Vielleicht redet er auch mit mir. Vielleicht verstehe ich auch, was Gott gerade mit mir vorhat. Vielleicht steht der Himmel noch einmal offen.

 

Das habe ich damals nicht gemacht, mit dem Baum, an dem ich gebetet habe. Ich habe vor einem Jahr einmal nachgesehen: er ist nicht mehr da. Die Stadtverwaltung von Langenhagen hätte wahrscheinlich auch nicht mitgespielt, wenn ich gesagt hätte: ich möchte da ein Heiligtum einrichten, da kann man Gott begegnen. Ich hätte ja auch nicht genug Geld gehabt, um mir den Boden dort zu kaufen.

 

 

 

Was nehme ich mit aus der Geschichte aus der Geschichte von Jakob mit der Himmelsleiter? Wie kann ich mit unsicheren Situationen umgehen? Mit Situationen, in denen sich die Dinge noch ordnen müssen.

 

Das eine, was ich aus der Geschichte entnehme: Aushalten, dass ich nicht die Lösung weiß. „Ihm träumte“ steht da. Jakob hat sich die Lösung nicht selber gemacht – er hat gewartet, das sie kommt.

 

Zu schnell eine Lösung haben zu wollen ist gefährlich. Wenn es noch nicht stimmt. Wenn meine Seele – ich sage einmal dieses Wort – noch nicht so weit ist. Oder wenn ich noch nicht die richtige Frage habe.

 

Wir Deutschen hatten mal eine Regierung, die hat uns die „Endlösung der Judenfrage“ angeboten. Wenn eine Frage endgültig gelöst wird, freut man sich natürlich. Aber da stimmte überhaupt nichts. Die Judenfrage – wie hieß sie überhaupt? - war frei erfunden. Und ein millionenfacher Mord ist natürlich keine Antwort und eine Lösung erst recht nicht.

 

Aushalten, dass ich jetzt noch keine Lösung weiß. Vielleicht: so gut wie möglich versuchen, die Dinge offen zu halten. Kleine Schritte gehen, wenn ich den großen noch nicht sehe.

 

Vielleicht kann ich auch, das ist zweite: Orte aufsuchen, wo sich schon einmal etwas geordnet hat. Bei anderen oder bei mir. Das sagt ja der Text: in Bethel hat schon einmal einer von Gott das gehört, was ihm weiter geholfen hat. Vielleicht findest du da ja auch Hilfe.

 

Kirchen können solche Orte sein. Ich kann mir Zeiten aussuchen, in denen ich einfach versuche, vor Gott anwesend zu sein und zu hören. Ich kann auf meine Träume achten und versuchen, sie im Licht Gottes zu sehen. Vielleicht findet sich ja ein Hinweis.

 

Und ich suche mir vielleicht wieder einen Baum – seit wir nach Rottorf umgezogen sind, habe ich ja öfter wieder einen längeren Heimweg mit dem Fahrrad. Ich habe da schon einen im Auge...