Predigt am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres über Hiob 14 17. November 2019

 

1 Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,

 

2 geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.

 

3 Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst.

 

4 Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!

 

5 Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann:

 

6 so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.

 

13 Ach dass du mich im Totenreich verwahren und verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir eine Frist setzen und dann an mich denken wolltest!

 

15 Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände.

 

16 Dann würdest du meine Schritte zählen und nicht achtgeben auf meine Sünde.

 

17 Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen.

 


 

Hey Gott, was erwartest du von mir? Ich bin ein Mensch!

 

Das freundlichste, was du, Gott, tun kannst: Lass mich in Ruhe! Guck weg!

 

So ist Hiob drauf. Er hat genug.

 

Die Grundlage seiner Rechnung ist klar. Wir Menschen bekommen, was wir verdienen. Zwischen mir und Gott muss etwas schief gelaufen sein. Deshalb bestraft er mich. Gott ist gerecht.

 

Ich tue, was ich kann. Ich arbeite mich müde, bei dem Versuch, mein Leben zu gestalten. Wenn das nicht reicht, dann: Guck weg Gott! Lass mich in Ruhe mit deinen Ansprüchen.

 

Aber jetzt bin ich mitten hinein gesprungen. Ich muss ein bisschen von Hiob erzählen. Wer ist er? Was ist vorher passiert?

 

Hiob, so steht es am Anfang, war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse. Und er war reich. 7000 Schafe, 3000 Kamele, 500 Joch Rinder und 500 Eselinnen – man kann es sich kaum vorstellen. Und Knechte und Mägde, dass sie die Tiere versorgen. 7 Söhne hatte er und drei Töchter.

 

Dann erzählt das Buch Hiob von einem Gespräch im Himmel. Der Teufel besucht Gott. Gott ist stolz auf Hiob: so ein frommer Mann. Der Teufel sagt: der ist nur fromm, weil es ihm gut geht. Nimm ihm seinen Reichtum weg und er flucht dir.

 

Gott sagt: Das wollen wir sehen! Ich überlasse ihn dir.

 

Und der Teufel legt los. Es kommen die sprichwörtlichen Hiobsbotschaften. Die erste: die Rinder und Eselinnen wurden überfallen und geraubt. Die zweite: die Schafe und Knechte sind alle gestorben. Die dritte: die Kamele wurden überfallen und getötet. Die vierte: deine Söhne und Töchter haben gefeiert, das Haus ist eingestürzt Es hat sie alle unter sich begraben. Schlag auf Schlag kommt das. In der Bibel heißt es: und während der eine noch redete, kam der Nächste.

 

Hiobs Antwort: der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt. Kein Fluch. Hätten sie so eine Antwort gegeben? Ich kaum.

 

Gott sagt zum Teufel: „siehst du. Hiob bleibt fromm“ Der Teufel sagt: „Der ist ja noch gesund. Wie wäre es mit Krankheit.“ Gott: „Probier es!“

 

Da ging der Satan hinaus und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle bis auf seinen Scheitel. Und wieder: Von Hiob kommt kein Fluch.

 

Seine Frau sagt zu ihm: „Du bist ja blöd. Verfluche Gott, dann stirbst du. Diese Quälerei, die du erleidest, kann ja keiner aushalten!“

 

Hiobs Antwort: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“

 

Das ist der Anfang der Hiobsgeschichte. Ehrlich gesagt: es fällt mir schwer, mich in Hiob hineinzuversetzen. Wahrscheinlich würde ich das anders machen als er. Ich finde, der Vorschlag seiner Frau, der hat was. Es wäre völlig verständlich, wenn Hiob das täte.

 

Wie geht es weiter?

 

Hiob bekommt Besuch von seinen Freunden. Zuerst sitzen sie eine Woche schweigend bei ihm. Das ist angemessen. Es gibt für das Leid Hiobs keine Worte – da ist es besser, da zu sein und den Mund zu halten. Eine Woche lang – auch das ist eine Menge. Wieder die Frage an Euch: er von Euch hat schon einmal eine Woche lang geschwiegen?

 

Nach dieser Woche klagt Hiob sein Leid, eine große und schwere Klage. Man kann sie nachlesen in Hiob Kapitel 3.

 

Aber dann antworten die Freunde und das geht schief. Denn die Freunde versuchen, Gott zu verteidigen. „Gott ist gerecht“, sagen sie, ganz knapp zusammengefasst, „also musst du etwas Unrechtes getan haben, dass er dich so bestraft. Denk mal nach!“

 

Da weigert sich Hiob: „Nein, nein, nein, mit aller Kraft: Nein! Ich habe nichts Unrechtes getan und ich werde nicht in meinem Leben nachforschen, ob es da nicht doch etwas gegeben haben sollte!“

 

Es gibt dann mehrere Gesprächsgänge zwischen Hiob und seinen Freunden, der Predigttext ist ein Teil von Hiobs Antwort.

 

Da hat er genug. Da sagt er nur noch: Gott, lass mich in Ruhe. Ich habe getan, was ich konnte. Dass ich noch besser bin, das kannst du nicht erwarten. Ich bin ein Mensch. Ich bin fehlbar.

 

Und Hiob beschreibt, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Ich finde das gültig, was er schreibt, dass ich es noch einmal vorlesen möchte.

 


 

Guck weg!“, sagt Hiob. „Nimm dir wenigstens eine Auszeit, Gott, wenn du so wütend bist!“

 


 

Die Frage ist: was passiert jetzt?

 

Da sind die Freunde. Die sagen: erforsche dich, finde deinen Fehler, tu Buße.

 

Da ist die Frau, die sagt: fluche Gott, dann stirbst du.

 

Und da ist Hiob, der sagt: lass mich in Ruhe Gott, ich kann nicht mehr.

 

Wer bekommt Recht?

 

Beim Gott der Bibel bekommt eindeutig Hiob recht. Über die Freunde heißt es weiter hinten im Buch: Ihr ward schlechte Ratgeber. Das mögen Richtigkeiten gewesen sein, die ihr gesagt habt, aber: als Rat hat das nicht weiter geführt.

 

Gott zu fluchen, damit er einen vernichtet, das ist kein Weg, den die Bibel in Ordnung findet. Wobei auch die Frage ist, ob Gott das täte. Ich bin mir nicht sicher, ob der Gott der Bibel so mit einem umgeht, der völlig verzweifelt ist.

 

Aber zu Gott sagen: ich kann nicht mehr, das geht.

 

Denn: Am Ende des Buches Hiob redet Gott selbst mit ihm. Er begegnet ihm. Da schaltet Hiob um.

 

Da bittet Hiob Gott selbst: Belehre mich. Und er sagt: vom Hörensagen hatte ich von dir gehört – jetzt aber hat meine Auge dich gesehen. Darum gebe ich (meinen Widerstand gegen dich) auf und tröste mich im Staub und in Asche.

 

Über die Freunde sagt Gott: ihr habt nicht die Wahrheit über mich gesprochen wie mein Diener Hiob. Gott macht die Freunde von Hiob abhängig: wenn Hiob für euch betet, sagt Gott, dann tue ich euch nichts Schlimmeres an.

 

Und Gott führt Hiob aus der Krise, Hiob bekommt seine Gesundheit wieder, eine neue Familie, neuen Reichtum.

 


 

Weil er es wissen wollte von Gott. Weil er sich nicht auf Antworten aus zweiter Hand verlassen wollte.

 

Es gibt eine Geschichte von Jakob, dem Urvater. Der begegnet einmal Gott in einer sehr versteckten Weise: Ein Mann kämpft mit ihm an einem Fluss. Sie kämpfen lange. Der Morgen kommt. Der andere sagt: Lass mich los. Jakob antwortet: wenn du mich nicht segnest, lasse ich dich los. Da segnet ihn der andere und gibt ihm einen neuen Namen: Israel, der mit Gott kämpft.

 

Jakob und Hiob - sie lassen Gott nicht los, bis er sie segnet. Am Ende wird es der Name des ganzen Volkes.