Predigt am 1. Advent über Jeremia 23, 5-8 27. November 2016
Sieh, es kommen Tage, Spruch des HERRN, da lasse ich für David einen gerechten Spross auftreten, und dieser wird als König herrschen und weise handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Land. 6 In seinen Tagen wird Juda gerettet werden, und Israel wird sicher wohnen. Und dies ist sein Name, den man ihm geben wird: Der HERR ist unsere Gerechtigkeit!
7 Darum, sieh, es kommen Tage, Spruch des HERRN, da wird man nicht mehr sagen: So wahr der HERR lebt, der die Israeliten heraufgeführt hat aus dem Land Ägypten!, 8 sondern: So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Land des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie versprengt hat! Dann werden sie auf ihrem eigenen Boden wohnen.
Das ist der Advent auf politisch: Ein gerechter König soll kommen. Wie klingt das in Ihren Ohren?
Eine gerechte Regierung ist ein menschlicher Grundwunsch. Wir sind ja auf einen guten Rahmen für unser Leben angewiesen: dass Frieden ist. Dass es gerecht zugeht zwischen uns. Dass jeder einen guten Ort hat, an dem er sich entfalten kann. Dass die Natur erhalten bleibt. Damit das passiert, muss die Regierung mit Weisheit kluge Entscheidungen treffen: Politik ist die Kunst des Möglichen.
Das war damals in Israel so, das ist heute so.
Wir haben ja Krisen mit der Demokratie gerade. In vielen Ländern wird rechts gewählt. Das hat damit zu tun, dass Menschen denken: Unsere Politik leistet nicht, was sie leisten soll. Da ist keine gerechte Regierung.
Da gibt es Leute, die ihr Leben lang geschuftet haben und es reicht nicht zum Leben. Da sind andere, die betrügen und unermesslich große Gehälter einstecken.
Da sind Menschen, denen sagt die Gesellschaft: sorry, eure Fähigkeiten werden nicht gebraucht. Ihr seid überflüssig.
Da halten wir uns weltweit ein Wirtschaftssystem, das dazu führt, dass Menschen in Afrika und anderswo verzweifeln und ihr Heil nur noch in der Flucht sehen können. Dass Länder und Gruppen sich bekämpfen. Es ist kein Frieden.
Und wir wirtschaften so, dass wir im August das verbraucht haben, was uns die Erde für ein Jahr zur Verfügung stellt. Wir leben über unsere Verhältnisse. Das wird schief wohl gehen, über kurz oder lang.
Die Politik hat eine einfache Aufgabe. Nach innen Gerechtigkeit und jedem seinen Ort geben, Nach außen Frieden und die ökologischen Grenzen beachten, die Rahmenbedigungen.
Wenn die Aufgabe so einfach ist – warum ist gute Politik dann so selten und so schwierig?
Damals in Israel: da gab es zwei Großmächte, die um die Herrschaft kämpften: Ägypten und Assyrien. Wer schlau sein wollte, musste mit dem richtigen Land koalieren. Der König in Israel musste abschätzen: wer ist die kommende Macht? Können wir das vielleicht ausbalancieren, oder ist es klar, wer gewinnt?
Einige Male haben die Könige von Israel daneben gelegen – Israel hat es teuer bezahlt.
Ähnlich ist es ja jetzt. Auf welche Kräfte soll eine gute Politik setzen? Soll sie sagen: wir arbeiten nur mit Türken zusammen, wenn sie demokratisch sind? Oder soll sie sagen: es hilft ja nichts, wir müssen denen zusammen arbeiten, die regieren?
Oder bei VW. Soll eine gute Politik zu VW halten, weil so viele Arbeitsplätze in Niedersachsen davon abhängig sind? Oder soll VW bestraft werden, weil die Firma betrogen hat?
Überhaupt bei den Autos und ihren Werten: Wo soll ein Verkehrsminister mit Kontrolle arbeiten und wo mit Vertrauen?
Wenn ich mir diese Beispiele vor Augen halte, dann finde ich: gute Politik ist gar nicht so leicht. Wo kommt einer her, der gute Politik macht? Wo kommt ein gerechter König her oder ein weiser Herrscher? Damals und heute?
Die Hoffnung auf so eine Regierung, das ist die politische Seite des Advent. Und die persönliche?
Persönlich wird es in der zweiten Hälfte des Textes. Da geht es um den neuen Namen Gottes. Und der Name ist ja etwas ganz persönliches. Wie werde ich genannt?
Ich habe mich vorgestern mit einem Mädchen im Kindergarten gestritten. Ich habe erzählt, dass Jula (unser Enkelkind) „Opa“ zu mir sagt. Das Mädchen hat protestiert. „Du bist nicht Opa.“
„Doch,“ sage ich, „ich bin Opa!“
Aber das Mädchen hat insistiert: „Du bist nicht Opa. Du bist Pastor Hahn!“
Ok, denke ich. Das stimmt ja auch. Für die Kinder im Kindergarten bin ich Pastor Hahn. Der einzige Ort, wo ich mich so anreden lasse. Wenn die Kinder zu Hause erzählen, wer da war, wissen die Eltern bei „Pastor Hahn“ besser Bescheid.
Es ist ja so: wie ich mich nenne, hängt davon ab, wen ich vor mir habe. Wenn mich jemand fragt wer ich bin, antworte ich je nach Situation. Manchmal sage ich „Pastor Hahn“. Manchmal sage ich Ulrich Hahn, manchmal Ulli. Und manchmal sage ich auf die Frage, wer ich bin: Das frage ich mich auch seit 60 Jahren.
Es gibt ja Menschen, die ändern ihren Namen. Früher in der Regel die Frauen, wenn sie geheiratet haben. Sie sagten damit öffentlich: ich will für Euch jetzt nicht mehr die sein, als die geboren bin, ich will für Euch und für mich die sein, die mit diesem Mann zusammen gehört und der gehört zu mir. Ein großer und mutiger Schritt.
Oder der Künstlername
Robert Zimmermann hat die Bücher von Dylan Thomas gemocht und Robert wird sowieso Bob abgekürzt. So entstand Bob Dylan. Jetzt hat er den Nobelpreis bekommen für seine poetischen Lieder.
Norma Jean Mortensen klang einer Schauspielerin zu bodenständig – so entstand Marilyn Monroe, die auf naive machende platinblonde Verführerin . (Vielleicht ist Marilyn Monroe ja so früh gestorben, weil eine naive platinblonde Verführerin eben ein gewisses Maximalalter hat.) Neue Namen, die neue Personen entstehen lassen.
Und Gottes Name?
Wenn man in Israel etwas bekräftigen wollte, dann sagte man: „So war der Herr lebt, der .. „ und dann ergänzte man etwas, was für Gott charakteristisch war, etwas persönliches oder etwas, was ganz Israel betraf.
Persönlich könnte ich sagen: „So wahr der Herr lebt, der mich auf meinem Weg von Hannover (da bin ich geboren) hierher begleitet hat.“ Allgemein könnte ich zum Beispiel (im Lutherjahr) sagen: „So wahr Gott lebt, der seiner Kirche die Reformation geschenkt hat.“
Wie würden Sie das machen? Wie würden von Gott persönlich reden? Wie würden Sie von Gott allgemein reden? Was würden sie lieber gebrauchen, etwas allgemeines oder etwas persönliches?
Jeremia sagt: bald gibt es einen neuen Namen für Gott. Da wird man nicht mehr sagen: So wahr der HERR lebt, der die Israeliten heraufgeführt hat aus dem Land Ägypten!, 8 sondern: So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Land des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie versprengt hat!
Das ist ein dramatischer Moment: Gott ändert seinen Namen. Heute würde man sagen: Er erfindet sich neu. Er kommt auf eine neue Weise in die Welt.
Das heißt Advent. Das heißt Ankunft.
Und da sagen die Christen: genau das, was Jeremia angesagt hat, das ist geschehen: Gott ist in die Welt gekommen. Jesus, das Kind in der Krippe.
Jetzt hat Gott einen neuen Namen. Gott ist jetzt der Gott Jesus Christi, der Immanuel, der Gott mit uns. Der Gott als Mensch mit uns.
Das ist beides.
Das gilt für mich persönlich. Gott meint mich. Ich darf sagen: „So wahr Gott lebt, dessen Sohn für mich geboren und gestorben ist.“
Und das gilt auch politisch. Ich kann sagen: „So wahr Gott lebt, der Jesus auf die Welt geschickt hat, damit die Welt jetzt zu Gott gehört mit allen Menschen und mit der ganzen Politik. Dass wir wissen: durch alle menschlichen Verwirrungen hindurch regiert er.