Predigt am 16. Sonntag nTr über Lukas 7, 1-11 

 

Nachdem er zu Ende war mit allem, was er vor den Ohren des Volkes sagen wollte, ging er nach Kafarnaum.

2 Der Knecht eines Hauptmanns aber, den dieser sehr schätzte, war auf den Tod krank. 3 Als der nun von Jesus hörte, sandte er Älteste der jüdischen Gemeinde zu ihm und ließ ihn bitten, er möge kommen und seinen Knecht retten. 4 Als diese zu Jesus kamen, baten sie ihn inständig und sagten: Er ist es wert, dass du ihm dies gewährst, 5denn er liebt unser Volk, und er hat uns die Synagoge gebaut. 6Da machte sich Jesus mit ihnen auf den Weg.

Als er aber nicht mehr weit entfernt von dem Haus war, schickte der Hauptmann Freunde und ließ ihm sagen: Herr, bemühe dich nicht, denn es steht mir nicht zu, dich in mein Haus zu bitten. 7 Darum habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen. Aber sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund. 8 Ich bin nämlich auch einer, für den Befehle gelten, und habe Soldaten unter mir. Sage ich zu einem: Geh, so geht er; sage ich zu einem anderen: Komm, so kommt er; und sage ich zu meinem Knecht: Tu das, so tut er es. 9Als Jesus das hörte, wunderte er sich über ihn, und zum Volk gewandt, das ihm folgte, sprach er: Ich sage euch: In Israel habe ich keinen solchen Glauben gefunden! 10 Und als die Boten ins Haus zurückkehrten, fanden sie den Knecht gesund.


Eine Geschichte auf der Grenzlinie zweier Welten. Es begegnen sich: die römische Welt und die jüdische Welt. Zwei ganz verschiedene Arten, sich zu orientieren. Zwei verschiedene Arten, die Welt zu ordnen. Zwei verschiedene Arten zu handeln.

Die römische Welt wird durch den Hauptmann vertreten. Das passt. Denn Rom ist stolz auf sein Heer, seine Legionen. Mit ihnen beherrscht Rom ein Imperium, von England im Norden bis Ägypten im Süden, von Spanien im Westen bis nach Kappadozien in der heutigen Türkei im Osten. Das Prinzip, mit dem Rom herrscht, heißt Vereinheitlichung. Ein Verwaltung die funktioniert und ein Heer, das straff organisiert ist. Straßen verbinden das Reich, über Statthalter wird es regiert. Der Pax romana herrschte, der römische Friede – so sehen es die Römer.

 

Auf der anderen Seite: Israel vor 2000 Jahren. Das jüdische Volk in dem Land, das Gott ihm versprochen hat, aber regiert von Fremden. Die Verheißungen der Bibel haben sie im Ohr und in den Gedanken: Jeder soll seinen Weinstock und seinen Feigenbaum haben und in Frieden leben, ohne das einer ihn aufschreckt. Und sie sehen: Viele, die von zu Hause weggehen, weil sie es nicht mehr aushalten vor Armut. Räuber werden sie, wie die, die den Mann bei Jericho überfielen. Dolchmänner, die das Land von den Römern befreien wollen mit Gewalt. Oder sie ziehen mit Jesus mit, der das Reich Gottes verkündigt. Ein Land voller Gärung und Spannung, mit einer großen Hoffnung und einer schlimmen Realität.

 

Die Geschichte ereignet sich da, wo diese beiden Welten aufeinanderstoßen. Sie erzählt von dem römischen Hauptmann.

Eins scheint für ihn klar zu sein: er wird nicht selber zu Jesus gehen. Vielleicht ist er auch zuerst gar nicht auf die Idee gekommen, Jesus könnte ihm helfen. Vielleicht haben ihn seine jüdischen Freunde darauf gebracht. Denn: er hat bei ihnen einen Stein im Brett: er hat die Synagoge gebaut.

 

Vielleicht denken sie ja: jetzt können wir ihm ein bisschen Dank zurück geben. Da ist doch Jesus. Er hat schon Menschen gesund gemacht. Vielleicht tut er das auch mit dem Knecht des Hauptmanns. „Na gut“ - so stelle ich es mir vor, könnte der Hauptmann sagen, „na gut, geht hin zu ihm. Erzählt Jesus von meinem Knecht.“

 

Jetzt machen sich die Freunde auf den Weg.

(das ist ganz wichtig bei vielen Wundergeschichten, die Freunde, die die Initiative ergreifen. In einer Geschichte bringen die Freunde einen Gelähmten über das Dach zu Jesus. Und ein anderer Gelähmter liegt an einem See, der heilt, aber er kommt nicht hinein, weil er keinen hat, der ihn bringt, wenn das Wasser sich bewegt.)

Die Freunde gehen zu Jesus. Was für Gedanken werden sie wohl bewegt haben? Es steht ja viel auf dem Spiel. Zuerst das Leben des Knechtes. Aber dann auch ihre Glaubwürdigkeit. Wenn Jesus sie abweist, dann ist der Hauptmann enttäuscht – und sie sind auf ihn angewiesen. Ihr eigener Glaube steht auf dem Spiel – wenn Jesus jetzt helfen kann, ist das nicht ein Zeichen dafür, dass Gott doch Macht hat. Und wenn er nicht hilft? Wie ist das dann mit der Macht Gottes?

 

Ich stelle mir das so vor und ich denke: so ist es immer wieder geschehen in der Geschichte der Christen. Immer wieder haben Menschen für andere zu Jesus gebetet und haben gesagt: Jesus hilf doch! Immer wieder haben sie es riskiert – was ist mit meinem Glauben, wenn jetzt nichts geschieht?

 

Die Ältesten der Gemeinde gehen zu Jesus und bitten ihn inständig, dem Knecht zu helfen. Und Jesus geht mit.

 

Aber dann wird er auf dem Weg gestoppt. Der römische Hauptmann hat wieder Freunde gesandt. Diesmal haben sie die Botschaft: Herr, bemühe dich nicht, denn es steht mir nicht zu, dich in mein Haus zu bitten.


Warum macht er das? Warum will er nicht, dass Jesus ihn besucht?

Man kann da fantasieren. Vielleicht kommt er sich als Eindringling in Israel vor. Vielleicht empfindet er sein Haus als einen unreinen Bereich für Juden und möchte das Jesus nicht zumuten.

 

Vielleicht denkt er auch: wenn so ein heiliger Mann kommt und am Ende meinen Knecht heilt, dann muss ich mich entscheiden: wie stehe zu Jesus? Wie stehe ich zum Gott der Juden? Wenn ich ihm begegne, wer weiß, ob ich dann als römischer Soldat weiterleben kann. Jesus zu begegnen stellt das Leben in Frage.

 

(Die Christen haben das über Jahrhunderte vertreten: wer ein Christ ist, kann kein Soldat für das römische Reich sein!)

So etwas könnte der Hauptmann denken. Man weiß es nicht.

Der Hauptmann lässt die Boten weiter reden: Aber sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund. Ich bin nämlich auch einer, sagt der Hauptmann, für den Befehle gelten, und habe Soldaten unter mir. Sage ich zu einem: Geh, so geht er; sage ich zu einem anderen: Komm, so kommt er; und sage ich zu meinem Knecht: Tu das, so tut er es.

 

Die Schlussfolgerung des Hauptmanns: Befehle gelten auch im Bereich von Krankheit und Heilung, im Bereich von Jesus. Wenn Jesus der Krankheit befiehlt wegzugehen, dann wird sie weggehen. Das ist römisch gedacht.

 

Wie wird das ausgehen? Jetzt könnte Jesus sagen: so geht das nicht. Heilung geschieht, wenn ich den Menschen die Hand auflege.

Aber das sagt Jesus nicht. Er sagt: So einen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.

 

In modernem Deutsch würde man sagen: Es ist kompatibel. Der Hauptmann drückt in seiner römischen Art ein großes Vertrauen aus. Gott wird helfen – durch Jesus. Weil er Römer ist, stellt er sich das Ganze wie einen Befehl vor, dem ein Soldat gehorcht.

 

An dieser Stelle unterbreche ich und frage: und wie sieht unsere Art zu denken aus? Wie sieht unsere Welt aus?

 

Eins kann man ganz bestimmt sagen: sie ist weit entfernt von der Art zu denken, die damals in Israel war. Vielleicht ein bisschen näher mit dem römischen Denken verwandt – immerhin war ja Latein lange Zeit die Sprache, in der in Europa wissenschaftlich nachgedacht wurde.

 

Unsere Art zu Denken ist geprägt vom Erfolg der Naturwissenschaften, von der modernen Psychologie. Sie ist geprägt von der Nachrichtentechnik, von den Computern.

Wie verstehen wir das mit Glauben, der in der Bibel steht? Wie sieht es an dieser Grenzlinie aus?

 

Das ist genau die Frage, um die es im Konfirmandenunterricht geht. An der arbeiten wir.

 

Dabei geht es darum, auf beiden Seiten ehrlich zu sein. Es geht darum ehrlich zu sein zu uns – wir leben im Jahr 2012 mir den Erfahrungen, die Menschen im Jahr 2012 machen.

 

Und es geht darum, offen zu sein gegenüber dem Glauben. Unsere Art, die Welt zu sehen ist nicht die einzig mögliche. Vielleicht lernen wir, mehr zu sehen, wenn wir uns auf die Welt des Glaubens einlassen – so, wie der Hauptmann sicher mit Erstaunen gemerkt hat, dass sein Knecht gesund wurde – gerade, als seine Boten Jesus begegneten.