Predigt am 1. Advent über Luk 1, 67 – 79 2. Dezember 2012
67 Und sein Vater Zacharias wurde von heiligem Geist erfüllt und weissagte:
68Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels!
Denn er hat sich seines Volkes angenommen und ihm Erlösung verschafft
69und uns aufgerichtet ein Horn des Heils
im Hause Davids, seines Knechtes,
70 wie er es versprochen hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Ewigkeit her,
71uns zu retten vor unseren Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen,
72Barmherzigkeit zu erweisen unseren Vätern
und seines heiligen Bundes zu gedenken,
73des Eides, den er unserem Vater Abraham geschworen hat,
uns zu gewähren,
74 dass wir, errettet aus der Hand der Feinde, ihm ohne Furcht dienen
75 in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm all unsere Tage.
76Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten genannt werden,
denn du wirst vor dem Herrn hergehen, seine Wege zu bereiten,
77Erkenntnis des Heils zu geben seinem Volk
durch die Vergebung ihrer Sünden,
78aufgrund des herzlichen Erbarmens unseres Gottes,
mit dem das aufgehende Licht aus der Höhe uns besuchen will,
79um zu leuchten denen, die in Finsternis und Todesschatten sitzen,
um zu lenken unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Zacharias singt Gott ein Lied. So wie die Alten Psalmen gesungen haben. Er singt von dem Heil, das jetzt da ist.
Was ist geschehen? Was bringt ihn zum Singen? Seine Frau hat einen Sohn geboren. Eigentlich ist sie zu alt. Ein Wunder. Aber dass das Lied nach 2000 Jahren noch in unserer Bibel steht, dazu muss noch mehr gehören.
In seinem Lied verbindet Zacharias die Geburt seines Sohnes mit den großen Hoffnungen Israels. Für die großen Hoffnungen ist er zuständig. Er ist Priester.
Denn: Die großen Hoffnungen brauchen Menschen und Orte. Sie brauchen Menschen, die für sie verantwortlich sind. Sie brauchen Orte, an denen sie bewahrt werden.
Sonst hören die Menschen vielleicht auf zu hoffen. Besonders, wenn es ihnen schlecht geht, wenn sie „im Schatten des Todes sitzen“. Da kann die Hoffnung leicht verloren gehen.
Eine der großen Hoffnungen ist Frieden. Wenn ich im Frieden lebe, kann ich etwas Gutes schaffen: Für mich, für die Gemeinschaft, in der ich lebe. Ich muss meine Energie nicht auf Konflikte verschwenden.
Viele Menschen leben in Situationen, in denen der Frieden weit entfernt ist. Wie sollen sie hoffen? Wie soll man Frieden vorstellen, wenn man mitten im Konflikt steckt?
Wo ist in Israel jemand, der sich Frieden mit den Palästinensern vorstellen kann? Wo in Palästina jemand, der an den Frieden mit Israel glaubt? Können Sie sich Frieden in Afghanistan vorstellen?
„In der Finsternis und im Todesschatten“ braucht es Menschen, die die Hoffnung auf den Frieden in ihren Herzen bewahren. Es braucht Menschen, die Geschichten vom Frieden erzählen können. Es braucht Menschen, die die Hoffnung wieder wecken können. Dann kann die Hoffnung gepflanzt werden. Dann kann sie sich ausbreiten. Dann kann sie in die Herzen eindringen. Es braucht Menschen der Hoffnung. Es braucht Orte der Hoffnung wie den Tempel, wo die Geschichten der Hoffnung aufbewahrt werden, wo Gebete der Hoffnung gebetet werden.
Ein Mensch der Hoffnung war Zacharias, der Priester. Sein Beruf: Hoffnung aufbewahren. Die alten Geschichten weiter erzählen. Gott erinnern, dass er kommen will.
Und nun, mit einmal redet Zacharias von der großen Hoffnung Israels als ob sie schon fast da sei. Nicht mehr: Gott soll kommen und uns erlösen, sondern: Gott ist gekommen. Die große Hoffnung, sie trifft ein. Jetzt. Was ist da passiert? Nach so langer Zeit?
Denn: die Zeit ist ja wirklich lang. 1500 Jahre mag es hergewesen sein, dass Gott Abraham seinen Eid geschworen hat.
Natürlich: dieser Eid war von vornherein auf lange Zeit hin angelegt. Ich lese es vor: „Ich will dich segnen und dein Geschlecht so zahlreich machen wie die Sterne des Himmels und wie den Sand am Meer und dein Geschlecht wird das Tor seiner Feinde besitzen; mit dem Namen deines Stammes werden sich Segen wünschen alle Völker der Erde, weil du mir gehorcht hast.
Das steht in 1. Mose 22. Dass ein großes Volk entsteht, das braucht eben seine Zeit, das ist ja ganz normal. 500 Jahre später war es so weit. Unter David und Salomo war Israel zu einem großen Land geworden. Eine richtige Mittelmacht im Orient.
Aber: dann war alles verloren gegangen. Das Land war in Nord- und Südreich zerfallen. Das Exil in Babylon kam. Die Rückkehr. Die Herrschaft der Diadochen. Die Herrschaft der Römer.
Vor fast 1000 Jahren ein großes Land – und jetzt? Wie war das mit der Verheißung an Abraham?
War sie erledigt? Hatte Gott damit getan, was er versprochen hatte und jetzt war es gut, jetzt konnte man nichts mehr von ihm erwarten?
Nein, sagen die, die an ihn glauben. Gott will das immer noch. Gott will immer noch, dass Israel ein großes und freies Volk wird. Keine Fremdherrschaft der Römer und keine Fremdherrschaft des Hungers. Deshalb steht die Verheißung noch aus: weil Gott der gleiche Gott bleibt, der den Frieden will.
Zacharias sagt: Jetzt ist es soweit. Das Zeichen dafür ist: Ich bekomme einen Sohn. Denn ich habe vom Engel gehört: Dein Sohn wird ein heiliger Mann werden. Der wird den Heiland ankündigen für Israel und für die Welt. Wir - wieder 2000 Jahre später - wissen: das ist Jesus.
Jetzt ist der Sohn geboren, der Ankündiger. Deshalb fängt Zacharias an zu singen, das Lied, das Predigttext ist.
Er singt: Ein Horn des Heils hat Gott aufgerichtet in dem Hause Davids, seines Knechtes.
Ein Horn des Heils, das kann man kaum übersetzen. Aber vielleicht muss man das gar nicht. Ein Horn des Heils, das ist ein Symbol von Kraft, von Power.
So groß ist die Kraft, die Zacharias erwartet, dass er sagt: Jetzt kommt die Errettung. Von unseren Feinden und aus der Hand all derer, die uns hassen.
Jetzt bricht die gute Zeit an: wir können, erlöst aus der Hand unsrer Feinde ohne Furcht ihm dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Tage.
Mehr will er nicht. Die Feinde sind weg. Die Menschen können gut leben. Sie können ohne Furcht Gott dienen.
Ohne Angst, irgendeinen römischen Kaiser zu beleidigen, wenn man sagt, dass man an den einen Gott glaubt. Ohne die Angst, einen römischen Besatzungssoldaten nervös zu machen, wenn man klar stellt, Israel ist Gottes Land.
Und wie bereiten wir uns auf die neue Zeit vor? Was sagt Zacharias da?
Da spielt sein Sohn eine große Rolle: Johannes. Er wird vor dem Heiland her gehen und ihm den Weg bereiten.
Zacharias beschreibt seine Rolle noch genauer: Johannes soll dem Volk Erkenntnis des Heils geben. Sie sollen wissen, was auf sie zukommt. Sie sollen es wissen, dass jetzt der Heiland kommt.
Johannes wird erzählen von der herzlichen Barmherzigkeit Gottes, von dem aufgehenden Licht.
Er wie das denen sagen, die "im Schatten des Todes sitzen", wie in Afghanistan. Oder im nahen Osten. Und er wird unsere Füße auf den Weg des Friedens richten.
"Der Weg des Friedens": Wie ist das, wenn Frieden nicht ein Zustand ist, sondern ein Weg?
Dann heißt Frieden nicht: alles ist jetzt schon gut. Dann heißt Frieden: Lass uns Schritte machen, dass wir den anderen ein bisschen besser verstehen. Vielleicht, dass ich dem anderen sage, was ich mir wünsche. Dass ich versuche zu verstehen, was er braucht. Vielleicht, dass daraus neue Vorschläge werden, was wir miteinander tun können.
Das ist die Aufgabe von Johannes, sagt Zacharias: er soll unsere Füße auf den Weg des Friedens setzen. Er soll uns bereit machen für das Heil, das von Gott kommt.
Lukas hat das Lied von Zacharias aufgeschrieben in seinem Evangelium. Für ihn ist das Advent: Die Menschen bereiten sich darauf vor, dass Jesus kommt.
Sie richten ihre Füße auf den Weg des Friedens – weil der Friedefürst kommt. Sie machen sich bereit. Sie gehen den ersten Schritt.
Wir sind wieder 2000 Jahre weiter als Zacharias. Wieder kann man fragen: was ist mit der Verheißung? Kommt sie noch? Richtet Gott sein Friedensreich denn noch auf?
Da gibt’s keine glatte Antwort. Aber ich glaube: es ist wichtig, dass wir als Gemeinde ein Ort dieser Hoffnung sind. Dass wir zu Menschen werden, die die Geschichten von der großen Hoffnung weiter erzählen. Die Gott erinnern an das, was er versprochen hat. Wie Zacharias damals.
Denn: die Hoffnung braucht das. Sie braucht Menschen. Sie braucht Orte.