Predigt am Sonntag Reminiscere über Johannes 8, 21-30 24. Februar 2013

 

23 Jesus sagte zu ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 24 Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. 25 Wer sein Leben liebt, verliert es; und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es bewahren ins ewige Leben. 26 Wenn einer mir dienen will, folge er mir; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren. 27 Jetzt ist meine Seele erschüttert. Und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber darum bin ich in diese Stunde gekommen. 28 Vater, verherrliche deinen Namen. Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe verherrlicht, und ich werde von neuem verherrlichen.

29 Das Volk nun, das dabeistand und es hörte, sagte, es habe gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat mit ihm geredet. 30 Jesus entgegnete: Nicht um meinetwillen ist diese Stimme ergangen, sondern um euretwillen.

 

Es geht nicht anders. Wenn sich Jesus nicht völlig verbiegen will, dann wird er leiden. Wenn hier von Verherrlichen die Rede ist, dann ist genau das gemeint.

 

Man könnte das Gegenteil einmal durchspielen. Was müsste Jesus tun, um das Leiden zu vermeiden?

 

Er müsste sich mit den Verhältnissen arrangieren. Er dürfte die Römer nicht mehr ärgern. Er dürfte die Herrschenden nicht mehr ärgern, die mit den Römern zusammenarbeiten.

 

Er müsste akzeptieren, dass es Menschen verschiedener Klassen gibt. Dass es die Reinen gibt, die mit Gott etwas zu tun haben und die Unreinen, die sind außen vor. Er müsste akzeptieren, dass es Orte gibt, an denen man Gott näher ist – der Tempel in Jerusalem – und wenn man nicht genug Geld hat, um dort hinzukommen, dann hat man eben Pech gehabt. Dann sagen sie: du musst dir das anderes einteilen, dann bekommst du das hin.

 

Er müsste akzeptieren, dass es unterschiedliche Sphären gibt. Den Bereich, in dem Gott zuständig ist und einen Bereich, der sich selbst regelt. Gott ist zuständig zum Beispiel für das Vergeben von Sünden. Wenn es um körperliche Heilung geht, dann eher nicht.

Ich glaube, wenn er das akzeptieren würde, dann würde er ganz gut durchkommen. Dann müsste er nicht leiden.

 

Dann würde er eben als Rabbi mit den anderen Rabbinern essen, als ein Reiner mit den Reinen. Er würde zum Tempel gehen und sich freuen über das, was da geschieht. Er würde vielleicht Menschen heilen. Aber wenn er Menschen heilt, dann hätte das nichts mit Gott zu tun. Das wäre eine ärztliche Handlung.

 

Und vor allem müsste er vorsichtiger sein mit dem, was er sagt. Das geht ja nicht. Er kann nicht einfach auftreten und sagen: Ihr habt zwar gehört, dass man das so und so machen, ich sage euch aber etwas anderes. Das geht nicht. Ihr habt gehört, dass man die Freunde lieben und die Feinde hassen soll, ich aber sage euch: liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen. Wo soll denn das hinführen? Wenn er aufhören würde, so etwas zu reden, dann könnte es gut gehen.

 

All das hat Jesus nicht getan. Er hat sich nicht an die akzeptierten Grenzen gehalten. Er ist zu den Unreinen gegangen. Nach den normalen Regeln hat er sich damit selbst verunreinigt. Man verunreinigt sich, wenn man Unreine berührt, umso mehr, wenn man mit ihnen isst. Ihn hat das offenbar nicht gekümmert.

 

Ein Gelähmter wurde zu ihm gebracht. Er hat gesagt: „dir sind deine Sünden vergeben.“ „Das darf der nicht. Dazu hat er nicht die Macht. Das darf nur Gott,“ haben die Frommen gedacht. Da hat er den Mann geheilt und er konnte gehen.

 

Er hat weiter gepredigt. Die Menschen haben angefangen zu glauben, dass in Galiläa das Reich Gottes anfängt.

 

Den Priestern war klar: „Wenn die Leute ihm zuhören, dann ist es aus mit der Ordnung im Land, dann weiß man nicht, was passieren wird!“ Er wollte nicht aufhören.

 

Und das alles wäre noch gegangen, wenn er auf dem Land geblieben wäre. Wenn jemand so etwas in der Provinz erzählt, warum nicht? Da laufen ja immer wieder erstaunliche Leute herum. Aber: Jesus kam nach Jerusalem. Da ging es um den Tempel. Um das Heiligtum. Spätestens da hätte er vorsichtig werden müssen. Spätestens da hätte er Ehrfurcht zeigen können.

 

Aber: er hat die Wechslertische umgeworfen. „So ist das kein Bethaus mehr sondern ein Kaufhaus“, hat er gesagt. Das konnten sich die Priester und Beamten nicht bieten lassen. Wenn sie nur ein bisschen Selbstachtung bewahren wollten, dann mussten sie jetzt handeln. Dann musste es krachen. Dann musste Jesus leiden. Die Konsequenz war unausweichlich.

 

Das sage ich. Wir sehen aus dem Abstand von fast 2000 Jahren.

Wie hat er das selbst wohl gesehen?

 

Die Konfirmanden haben dazu vorhin eine Schlüsselszene gespielt. Jesus kommt in den Garten Gethsemane. Er weiß: Es kann nicht mehr lange dauern. Die Behörden, die Hohenpriester, die Römer werden zuschlagen.

 

Er weiß auch: ich könnte fliehen. Ich könnte weggehen aus Jerusalem, aufs Land. Auf dem Land wird eben alles nicht so heiß gekocht. Die Hohenpriester haben da nur wenig Macht. Die Bibel erzählt, dass Jesus mit sich kämpft: Soll ich auf diesem Weg bleiben? Soll ich ihn bis zu Ende gehen?

 

Wir wissen das Ergebnis. Er ist geblieben. Er hat erkannt: Gott will, dass ich diesen Weg weiter gehe. Gott will, dass ich nicht zurückgehe aufs sichere Land.

 

Die Evangelisten erzählen: Seine Jünger haben das nicht ausgehalten. Sie sind eingeschlafen – der Druck war einfach zu groß. Jesus hat den Druck ausgehalten.

 

Er hat sich verhaften lassen. Er hat sich vor Pontius Pilatus verantwortet. Er hat sich foltern lassen. Er wurde ans Kreuz genagelt. Er ist dabei geblieben.

 

Die Christen haben versucht, das zu verstehen. Warum musste das sein? Warum hätte Gott ihn nicht retten können?

 

Ihre Antwort war: Es macht einen Riesenunterschied. Gottes Sohn, Gott selbst ist den Weg zu Ende gegangen – ins Leiden und in den Tod.

 

Jesus hat das Reich Gottes verkündet. Dass alle leben sollen. Dass die Menschen gemeinsam das Fest des Lebens feiern.

 

Auf diesem Weg ist er geblieben: auf dem Weg des Lebens. Er hat nicht gesagt: gut, dann machen wir das Reich Gottes kleiner. Dann gehören eben nur die Besseren dazu.

 

Wir haben vorhin den Predigttext gehört: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben liebt, verliert es; und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es bewahren ins ewige Leben.

 

Das gilt zuerst für Jesus, haben die Christen gesagt. Er gibt sein Leben her. Er ist das Weizenkorn, das stirbt. Ihn erweckt Gott aus dem Tod ins Leben.

 

Das gilt dann aber auch für seine Nachfolger: für uns: wer versucht sein Leben festzuhalten, der wird es verlieren – wer es loslässt, der wird es gewinnen.

 

Gleich feiern wir zusammen Abendmahl. Brot, Saft und Wein werden verteilt, so wie Jesus sich hergeschenkt hat. Alle bekommen etwas ab. So, wie alle zum Reich Gottes gehören. Weil alle dabei sein sollen beim Fest Gottes.

 

Das Abendmahl steht im Zentrum des christlichen Glaubens. Es zeigt, wie Gott es mit uns meint. Es zeigt, wo der Weg hinführt, den Jesus gegangen ist. An diesen Weg erinnern wir uns.

 

Da schlug sein Herz: bei der Gemeinschaft mit den Menschen. Dafür hat er sich eingesetzt, mit seinem Körper. Dafür hat er sich foltern lassen uns an Kreuz hängen: dass wir zusammen essen und trinken ohne dass jemand ausgeschlossen wird. Dass wir wissen, wir gehören zusammen.

 

Die Christen sagen: ein Glück, dass Jesus diesen Weg bis zu Ende gegangen ist. Nicht für ihn selbst – er hätte sich retten können. Für uns. Damit wir wissen: seine Liebe hört nicht auf. Damit wir wissen: von Gott kann uns nun überhaupt nichts mehr trennen. Und auch nicht von den Menschen. Sie gehören zum großen Fest Gottes, wie wir.