Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias über Joh 12, 34 – 41
20. Januar 2013
34 Das Volk nun antwortete ihm: Wir haben aus dem Gesetz gehört, der Christus bleibe in alle Ewigkeit. Wie kannst du da sagen, der Menschensohn müsse erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? 35 Da sagte Jesus zu ihnen: Noch kurze Zeit ist das Licht unter euch. Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt, damit die Finsternis nicht über euch hereinbricht! Wer seinen Weg in der Finsternis geht, weiß nicht, wohin er geht. 36 Solange ihr das Licht habt, glaubt an das Licht, damit ihr Söhne und Töchter des Lichts werdet! So redete Jesus, dann ging er fort und verbarg sich vor ihnen.
Zwei Konzepte von Glauben stehen sich gegenüber.
Da ist auf der einen Seite das Volk.
Das Volk steht bei Johannes für die Menschen, die noch nicht verstanden haben, was mit Jesus neu ist. Das Volk sagt: Wenn der Messias kommt, dann ist er da. Dann ist alles gut, aber auch wirklich alles. Und er bleibt da – ein für alle Mal. So weit sind wir noch nicht – der Heiland ist eben noch nicht da. Entweder der Messias ist da oder nicht. Wenn nicht ganz, dann eben gar nicht.
Auf der anderen Seite steht das, was Jesus sagt. Er sagt: Jetzt bin ich da. Jetzt ist das Licht da. Jetzt seht ihr etwas. Jetzt könnt ihr etwas tun. Jetzt sollt ihr auch etwas tun.
Aber ich bleibe nicht für immer bei euch. Ich werde gekreuzigt, ich fahre in den Himmel auf. In der Sprache von Johannes heißt das: Ich werde erhöht. Dann werden auch wieder Zeiten kommen, in denen es dunkel ist. Es kommt darauf an, jetzt die Chance zu nutzen. Der Heiland ist gekommen – trotzdem gibt es weiter Licht und Finsternis. Fast gleichzeitig.
Wie ist denn das bei uns. Leben wir im Licht oder in der Finsternis? Blicken wir durch oder nicht? Können wir Schritte tun, können wir etwas bewirken?
Wie analysieren wir unsere Zeit? Wie analysieren wir unsere Situation?
Da ist eine ganze Menge Licht. Wir leben in einem freien Land. Wir dürfen wählen. Schon deshalb können wir etwas bewirken. Es macht einen Unterschied, wer heute die Wahl in Niedersachsen gewinnt.
Wir leben in einem reichen Land. Das heißt nicht, dass alle reich sind, aber das heißt: selbst die, die nicht viel haben, sind nicht unmittelbar bedroht von Hunger.
Beides war zur Zeit von Jesus anders. Da herrschte keine Demokratie – der König war der König und der Statthalter der Statthalter. Nichts mit wählen.
Und wenn die Ernte schlecht war, dann hungerten die Menschen. Wer alt oder krank war, wer nicht so gut an Nahrungsmittel kam, der verhungerte auch schon einmal. Finstere Zeiten waren das damals, könnte man sagen.
Auch die Kirchengemeinden sind relativ reich. Wir müssen uns nicht bei jemand zu Hause treffen, wir haben ein eigenes Gemeindehaus. Wir können uns sogar das Gas leisten um den Gottesdienstraum einigermaßen zu heizen. Unser Glaube ist in diesem Land erlaubt – niemand wird bestraft, der sich Christ nennt.
Ich glaube, das muss man ab und zu sagen. Sonst vergisst man es. Denn: was eben noch eine Befreiung war, das empfindet man nach einiger Zeit als völlig normal. Es gab in Deutschland im vergangenen Jahrhundert zwei Diktaturen, beide feindlich gegenüber dem christlichen Glauben. Es ist gut, dass die vorbei sind.
Und, was hier an Reichtum für normal halten, auch das ändert sich schnell. Als wir jung waren, hätte niemand die Idee gehabt, dass jeder Schüler über ein Funktelefon zu erreichen ist. Als unsere Eltern jung waren, gab es noch kaum Fahrräder mit Gangschaltung. Als deren Eltern jung waren, gab es noch viele Häuser ohne Elektrizität. Wir haben viele Freiheiten und viele Möglichkeiten zu handeln – gerade in den letzten 100 Jahren sind viele dazu gekommen.
Man kann aber auch sagen: wir leben in einer finsteren Zeit. Die Vereinsamung ist groß. Früher lebten die Menschen in großen Familien, vielleicht auf einem Hof. Man kann das auf dem Kiekeberg sehen, wie viele Schlafkammern zu einem ordentlichen Bauernhof gehörten. Heute sind in Hamburg und anderen Großstädten über die Hälfte der Haushalte Single-haushalte.
Mir persönlich kann es schlecht gehen. Ich kann in dieser Gesellschaft das Gefühl haben: ich bewirke überhaupt nichts. Ich kann gleich wählen gehen – aber es macht ja doch keinen Unterschied, was ich wähle. Ich kann das viele Wissen, das wir haben, in mich hineinstopfen, aber es hilft mir nicht, die Welt zu verstehen. Ich kann das schreckliche Gefühl haben: ich werde nicht gebraucht und ich bewirke nichts.
Leben wir im Licht oder in der Finsternis?
Ich glaube, der Bibeltext will uns da gar keine glatte Antwort geben. Er will uns eher sensibel für die Zwischentöne machen. Er will uns sagen: pass auf. Achte darauf, wie deine Zeit konkret ist. in was für einer Zeit du bist. Achte darauf, wo du etwas bewirken kannst – und bewirke es. Achte darauf, wo du bloß deine Kraft verschwenden würdest und lass es. Geh da Schritte, wo sie dran sind.
Wir haben im Konfirmandenunterricht gestern über das Abendmahl gesprochen. Abendmahl feiern ist eine Grundhandlung der christlichen Gemeinde. Jesus hat versprochen: wenn ihr das tut, dann bin ich dabei.
Man könnte sagen: das Abendmahl ist ein Moment des Lichtes. Da sehen wir, wie es eigentlich ist. Wir sind Schwestern und Brüder. Wir gehören zusammen. Wir essen und trinken zusammen. Jeder einzelne ist von uns ist Gott ganz viel wert.
Wo Christen das mit dem Abendmahl richtig verstehen, da bewirkt es etwas. Es bewirkt in mir, dass ich den anderen nicht mehr als Feind sehen kann: er lebt genauso davon, dass Gott ihn liebt wie ich. Nicht nur die, die jetzt mitfeiern. Auch die anderen. Wer Abendmahl feiert glaubt ja: am Ende lädt Gott uns alle ein.
Man könnte sagen: alles, was die Christen tun, soll zum Abendmahl passen. Wie in der Geschichte von dem Bäcker.
Die Konfirmanden haben sie gespielt. Der Bäcker, der das Brot bricht und mit dem Busfahrer isst, weil seine kleine Tochter im Krankenhaus liegt. Dann kommt eine Frau zufällig vorbei – er bezieht sie mit ein. Es entsteht eine kleine Gemeinschaft. Der Busfahrer ist nicht mehr allein mit seinen Sorgen.
Oder bei dem Konflikt zwischen Vater und Sohn, der richtig gefährlich ist. Iss etwas, sagt der Bäcker zu dem Vater und teil das Brot mit deinem Sohn, ich esse etwas mit. Und Vater und Sohn versöhnen sich, weil, wer von einem Brot ist, der gehört zusammen.
Angenommen, jemand hätte gefragt: kann ein kleiner Bäcker etwas bewirken? - die Antwort wäre doch sehr skeptisch gewesen. „Viel kann es nicht sein!“.
Wenn man die Geschichte sieht oder hört, kann man nur antworten: ja, unbedingt, er bewirkt eine Menge. Es macht einen großen Unterschied für den Busfahrer, es macht einen großen Unterschied für Vater und Sohn.
Er bewirkt es, indem er tut, was die Christen beim Abendmahl tun: er teilt das Brot. So etwas könnte das Abendmahl auch bewirken. Es wird es bewirken, eines Tages, wenn Gott es mit uns allen feiert, vielleicht auch schon heute.
Wie konnte das geschehen? Ich denke, es liegt daran, dass der Bäcker etwas gesehen hat. Er hat gesehen: dieses Brot, was ich backe, ist ein Lebensmittel – davon leben Menschen. Ich habe es in der Hand. Wenn ich es teile, wenn Menschen davon essen, dann entsteht Frieden und Gemeinschaft.
Es gab Menschen, die ihn für einen Spinner gehalten haben. Das hat er ausgehalten. Es war klar, dass er damit nicht die Welt bewegen würde. Auch das hat er ausgehalten. Er hat an seiner Stelle etwas gesehen, die Welt ein kleines bisschen verändert. Er hat etwas bewirkt.
Ich glaube: das ist typisch. Wir haben ein bisschen Einfluss. Es macht einen Unterschied, wie wir uns verhalten. Wahrscheinlich ändert es nicht die Weltgeschichte, aber es gibt der Welt an einer Stelle eine andere Farbe.
Übrigens finde ich: das ist auch beim Wählen so. Wahrscheinlich verändert meine Stimme nicht die Verteilung im Landtag. Aber, wenn ich wähle, mache ich das, was in diesem Land geschieht, zu meiner Sache. Und das ist ist ein Unterschied.
Johannes zitiert Jesus: Nutzt die Chance, jetzt, wo ich in der Nähe bin, jetzt wo es hell ist. Wie werden das seine Leser sehen? Werden sie sagen: Ja, wir spüren es, er ist da. Wir können etwas tun.? Oder werden sie sagen: nein, er ist weg, im Himmel, die Zeit ist finster. Es ist klüger, sich zurück zu ziehen und sich einzuigeln. ?
Johannes sagt: es gibt beide Zeiten. Wichtig ist es, das Licht aus zu nützen, so lange es da ist. Wichtig ist es, den nächsten Schritt zu tun, damit Frieden wächst.