Predigt am über Jesaja 65, 17 – 25 Ewigkeitssonntag 25. November 2012

17     Denn seht, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde,

und dessen, was früher war, wird nicht mehr gedacht werden,

und man wird es nicht mehr bedenken.

18     Vielmehr frohlockt und jubelt endlos

über das, was ich schaffe!

               Denn seht, ich schaffe Jerusalem als Jubel

und ihr Volk als Frohlocken.

19     Und über Jerusalem werde ich jubeln,

und frohlocken werde ich über mein Volk.

               Und Weinen und Schreien

wird in ihr nicht mehr zu hören sein.

20     Dort wird es keinen Säugling mehr geben, der nur wenige Tage lebt,

und keinen Greis, der sein Leben nicht vollendet,

               denn ein junger Mann wird sein, wer mit hundert Jahren stirbt,

und wer hundert Jahre nicht erreicht, gilt als mit dem Fluch belegt.

21     Und sie werden Häuser bauen und darin wohnen

und Weinberge pflanzen und deren Früchte essen.

22     Sie werden nicht bauen, damit ein anderer wohnt,

sie werden nicht pflanzen, damit ein anderer isst,

               denn das Alter meines Volks wird sein wie das Alter des Baums,

und was ihre Hände erarbeitet haben, werden meine Auserwählten genießen.

23     Sie werden sich nicht vergeblich abmühen

und nicht in entsetzlicher Angst Kinder gebären,

                denn sie sind die Nachkommen der Gesegneten des HERRN,

und ihre Sprösslinge werden ihnen bleiben.

24     Und noch ehe sie rufen, antworte ich,

noch während sie reden, erhöre ich sie.

25     Wolf und Lamm werden einträchtig weiden,

und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind,

               und die Schlange – ihre Nahrung ist der Staub.

Nirgendwo auf meinem heiligen Berg wird man Böses tun oder Zerstörendes, spricht der HERR.

Die Bibel ist ein Buch voller Hoffnung. Eigentlich kann man da gleich mit dem Anfang anfangen. Gott erschafft die Erde und hofft, dass es gut wird, so wie er es gemacht hat.

Und damit gleich eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt. Die Welt wird nicht so gut, wie Gott sie sich vorgestellt hat. Kain bringt Abel um. Der erste Brudermord – viele andere folgen.

Was tut Gott? Er hofft weiter und er fängt klein an – mit Abraham. Er gibt ihm die Verheißung Ich will dich zu einem großen Volk machen und will dich segnen und deinen Namen groß machen, und du wirst ein Segen sein. 3Segnen will ich, die dich segnen, wer dich aber schmäht, den will ich verfluchen, und Segen sollen durch dich erlangen alle Sippen der Erde.

Damit ist eine neue Hoffnung eröffnet. Abraham hofft, dass Gott seine Verheißung erfüllt. Er hofft lange vergeblich – aber dann beginnt es: er bekommt einen Sohn. Und wir wissen: Aus Abraham wird ein großes Volk, das es heute immer noch gibt: das Volk der Juden – über 3000 Jahre. Über die Hälfte der Menschen gehören heute zu den abrahamitischen Religionen – für uns ist der Name Abraham ein Segenswort.

Die Geschichte geht weiter. Viele Jahre später verkündet Jesaja den Text, den ich gerade vorgelesen habe. Wieder eine Verheißung. Wieder eine Ansage Gottes: so will ich es machen. Wieder staunen Menschen, mögen es kaum glauben. Wieder beginnen Menschen zu hoffen.

Dieses Mal ist die Verheißung so groß, dass wir sie uns kaum vorstellen können. Wolf und Lamm werden einträchtig weiden, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, und die Schlange – ihre Nahrung ist der Staub.

Das geht nicht. Wir alle wissen: Löwen fressen Fleisch – zB Rinder. Wir wissen: die Schlange ernährt sich von anderen Tieren – Mäuse zb, größere Schlangen eben auch größere Tiere.

Und grundsätzlich wissen wir: Es gibt in der Natur fressen und gefressen werden. Kein Tier, keine Pflanze lebt für sich allein – alle sind aufeinander angewiesen – aber eben auch als Nahrung.

Jesaja, das glaubst du doch selber nicht.

Doch sagt Jesaja, ich habe von Gott sogar gehört: Denn seht, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde, und dessen, was früher war, wird nicht mehr gedacht werden, und man wird es nicht mehr bedenken.

Alles wird neu. Die ganze Welt. Himmel und Erde.

Und dann beschreibt Jesaja, was es in der neuen Welt Gottes neu ist und was es nicht mehr gibt.

Es gibt keinen Säugling mehr, der nur wenige Tage lebt – das gehört ja zu den allergrößten Schmerzen, wenn ein kleines Kind oder ein Baby stirbt. Ein Mensch, der fast nur Hoffnung ist. Der noch alles lernen will. Der die Welt entdecken will.

Der jüngste aus unserer Gemeinde, der in diesem Jahr gestorben ist, ist Denis Isaew. 15 Jahre war er alt, wir wollten ihn nach Ostern konfirmieren. Jesaja sagt: dass so jemand stirbt, dass soll in den neuen Jerusalem nicht mehr vorkommen. So jemand, der noch so jung ist und noch so viel vor hatte. So einer, in dem noch so viel Hoffnung steckt.

Alle werden alt werden. Als Jüngling wird gelten, der mit 100 Jahren stirbt. Es gibt keinen Greis, der nicht sein Leben vollendet.

Bei uns ist niemand 100 geworden – Charlotte Schaller immerhin 98. Ich habe am Freitag einen Gottesdienst in einem Seniorenheim gehalten. Da habe ich gefragt: wer ist 100? Es war niemand. Dann habe ich gefragt: wer will 100 werden. Vielleicht 2 von 20 Gottesdienstteilnehmerinnen.

Ich habe noch einmal gefragt. Gestern morgen bei den Konfirmanden. Da waren es schon mehr. Ganz klar – wenn man die Gebrechen spürt, die Müdigkeit, dann ist es nicht mehr so attraktiv, so alt zu werden.

Und: es ist eine Frage der Bedingungen.

Würden Sie gerne 100 werden?

Die Greise und Greisinnen, an die Jesaja denkt, leben glücklich und zufrieden zwischen vielen freundlichen Menschen. Sie leben ein erfülltes Leben. Sie leben ein Leben so, dass sie gerne 100 Jahre alt werden – oder älter. Die Frage ist: wie sieht die neue Welt Gottes aus, dass das Altwerden schön ist?

Die neue Welt Gottes hat auch politische Folgen. „Sie werden nicht bauen, damit ein anderer wohnt, sie werden nicht pflanzen, damit ein anderer isst.“ Die Grundforderung der Sozialisten und Kommunisten – sie kommt von Jesaja. Was man herstellt, das soll einem auch gehören. Man schuftet nicht für jemanden anders, weder für die Bank noch für die Steuer. Auch das gehört zur neuen Welt.

Auch das ist ja eine ganz erstaunliche Vorstellung, wenn ich mir unsere Wirtschaft ansehe. Wie werden wir wirtschaften in der neuen Welt Gottes? Das muss ganz anders sein.

Und dann kommt Jesaja noch einmal zur Geburt: Sie werden nicht in entsetzlicher Angst Kinder gebären. Da kann man ja Angst haben – damals und heute. Ich kenne viele, die sagen: in dieser unsicheren Welt hinein möchte ich kein Kind bekommen. Bei Jesaja war die Welt viel viel unsicherer – die große Angst war da, wenn jemand Kinder bekam. Damit wird es vorbei sein. Man kann Kinder bekommen und wissen: sie sind Kinder Gottes, ihnen wird es gut gehen.

So beschreibt Jesaja die große Hoffnung. So hat er sie beschrieben vor 2500 Jahren.

Unsere Bilanz? Was ist aus der Hoffnung Jesajas geworden?

Die Lebenserwartung ist sehr gestiegen, irgendwie um die 80 liegt sie laut Statistik. Aber wann ist jemand gefühlt alt genug zum Sterben?

100 Jahre jedenfalls sind immer noch ein sehr hohes Alter. Es gibt viel Ausbeutung bei der Arbeit. Es gibt Menschen, die viel zu früh sterben und es gibt die Angst, Kinder in die Welt zu setzen.

Und die Löwen und Schlangen? Sie fressen immer noch andere Tiere.

Was ist mit also mit der Hoffnung?

Die Christen sagen: wir müssen dazu noch eine andere Geschichte erzählen, die Geschichte von Jesus Christus.

Unsere Welt sieht im Prinzip immer noch so aus, wie die Welt bei Jesaja. Aber an einer Stelle in der Weltgeschichte ist etwas Neues geschehen.

Das ist Ostern. Jesus Christus ist von den Toten auferweckt. Er wurde gekreuzigt, danach ist er uns begegnet als Lebendiger.

Jetzt glauben wir: Er nimmt uns mit, durch den Tod, ins neue Leben bei Gott. Zu Ostern, da hat die neue Welt angefangen, von der Jesaja redet.

Diese Christen sagen weiter: und diese Hoffnung verändert schon unser Leben. Wir dürfen hoffen und wissen: die, die gestorben sind, sind nicht einfach weg. Sie sind schon in Gottes neuer Welt. Sie sind schon da, wo es Leben in Fülle gibt.

Sie sind schon da, wo die das Leben der Säuglinge nicht bedroht ist von Krankheiten und das der jungen Männer nicht im Straßenverkehr.

Sie sind schon da, wo Menschen sich nicht mehr gegenseitig Vorschriften machen und sich ausbeuten.

Sie sind schon da, wo das Leben der Alten nicht überschattet ist von Müdigkeit und Krankheit.

Sie sind schon da, wo in der Natur Frieden ist.

Und wir?

Für uns gilt zweierlei: wir sollen mitarbeiten, dass es schon heute in der Welt Orte gibt, von denen man sagen kann: so kann die neue Welt Gottes aussehen.

Gegen die Säuglingssterblichkeit, gegen den frühen Tod, gegen die Ausbeutung der Menschen durch Menschen, für den Frieden in der Natur.

Wir werden das bestimmt nicht perfekt schaffen. Aber wir sollen daran mitarbeiten.

Das zweite ist etwas, wozu Jesus seine Jünger eingeladen hat.

Jesus hat zu seinen Jüngern gesagt: wir stellen uns schon darauf ein, wie das sein wird. Im Reich Gottes werden wir zusammen essen und trinken. Das sollt ihr heute schon feiern. Deshalb ging es ja im Spiel der Konfirmanden um ein Fest. Christen sollen das Fest nicht verpassen.

Wir feiern das im Abendmahl – die große Hoffnung: Gott kommt und die Welt wird neu. Wir essen und trinken zusammen, so wie wir in der neuen Welt Gottes zusammen essen und trinken werden. Da fängt es an.