Predigt am 3. Advent über Jesaja 40, 1-9 16. Dezember 2012

40 1Tröstet, tröstet mein Volk!,

spricht euer Gott.

2 Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihr zu,

dass ihr Frondienst vollendet,

dass ihre Schuld abgetragen ist.

Aus der Hand des HERRN musste sie nehmen

das Doppelte für all ihre Sünden.

3 Horch, ein Rufer:

Bahnt den Weg des HERRN in der Wüste,

in der Steppe macht die Straße gerade für unseren Gott!

4 Jedes Tal wird sich heben,

und senken werden sich alle Berge und Hügel,

und das Unebene wird flach,

und was hügelig ist, wird zur Ebene.

5 Und die Herrlichkeit des HERRN wird sich offenbaren,

und gemeinsam wird alles Fleisch es sehen.

Der Mund des HERRN hat gesprochen!

6 Horch, einer spricht: Rufe!

Und er sagt: Was soll ich rufen?

Alles Fleisch ist Gras,

und alles, was gut ist daran, ist wie die Blume auf dem Feld.

7 Das Gras vertrocknet, die Blume verwelkt,

wenn der Atem des HERRN darüber weht.

               Wahrlich, das Volk ist Gras!

8 Das Gras vertrocknet, die Blume verwelkt,

das Wort unseres Gottes aber besteht für immer.

9 Steig auf einen hohen Berg, du Freudenbotin Zion!

Erhebe deine Stimme mit Kraft,

du Freudenbotin Jerusalem!

Erhebe sie, fürchte dich nicht!

Sag den Städten Judas: Seht, euer Gott!

10 Sieh, Gott der HERR, er kommt als ein Starker,

und sein Arm übt die Herrschaft aus für ihn.

             Sieh, sein Lohn ist bei ihm,

und seine Belohnung zieht vor ihm her.

11  Wie ein Hirt weidet er seine Herde,

die Lämmer sammelt er auf seinen Arm,

und er trägt sie an seiner Brust,

die Muttertiere leitet er.

Drei Zeitdimensionen hat der Trost. Ich fange mit der Gegenwart an. Wie kann man jemand trösten? Wie tröstet man ein kleines Kind? Eins gehört ganz bestimmt dazu. Das man da ist. Man nimmt es in den Arm und zwar jetzt.

Es würde ja nichts nützen, zu sagen: in 10 Minuten nehme ich dich in Arm. Trost muss jetzt sein. Jetzt ist der Kummer da. Jetzt braucht das Kind Nähe. Jetzt, in der Gegenwart braucht es die Gegenwart oder Anwesenheit eines lieben Menschen – und es ist Wunder, dass ich da zwei mal das gleiche Wort sage.

Bei Jesaja geht es auch um die Gegenwart: Jetzt soll Jesaja zu Jerusalem reden. Jetzt soll er es trösten. Jetzt soll er sagen, dass seine Schuld bezahlt ist. Jetzt ist Gott da. Jetzt redet er, durch Jesaja, durch seinen Propheten.

Was tröstet Sie? Was tröstet euch? Was tröstet mich, wenn ich Kummer habe? Ich nehme ein leichteres Beispiel und ein schweres. Was tröstet mich, wenn eine Klassenarbeit oder ein Projekt misslungen ist?. Das schwerere: was tröstet mich, wenn jemand gestorben ist, den ich lieb hatte?

Wenn jemand gestorben ist, dann erzählen wir den Angehörigen, was für ein wichtiger Mensch der Verstorbene war. Wir drücken damit aus: ich sehe, dass dein Verlust groß ist. Du bist zu Recht traurig. Ich bin in der Trauer in deiner Nähe. Genau dieses Da sein in der Trauer hat schon etwas Tröstendes.

In der Bibel gibt es die Geschichte von Hiob. Er bekommt die Hiobsbotschaften: sein Vieh ist geraubt, die Knechte erschlagen, dann werden die Kinder getötet. Was kann man tun? Die Freunde Hiobs kommen und schweigen, eine ganze Woche lang. Ich habe das immer für eine Grundform von Seelsorge gehalten: Da sein und schweigen, den Kummer mit aushalten.

Und bei der Klassenarbeit oder bei dem Projekt, das schief gegangen ist? Da tut es auch zuerst einmal gut, wenn jemand da ist und sagt: ja, ist ja auch ein großer Mist! Trösten hat ganz viel mit der Gegenwart zu tun.



Trösten hat etwas mit Vergangenheit zu tun. Die Vergangenheit verstehen. Einmal ist eine Marschkapelle vor unserem Haus entlang marschiert. Eins unserer Kinder, ungefähr ein Jahr alt, hatte geschlafen und war davon aufgewacht, war erschrocken und hat geweint.

Wir haben uns dann eine ganze Weile unterhalten: Bums hat die Musik gemacht. Das war laut. Irgendwann war es gut. Es war wichtig, zu klären, was da geschehen war – so wie eben ein einjähriges Kind die Vergangenheit klären kann. Da war Musik, die hat Bums gemacht. Jetzt ist sie wieder weg. Das kann man verstehen. Dann kann man weiter schlafen.

Jesaja soll Jerusalem etwas über die Vergangenheit sagen. Er soll sagen: deine Schuld ist bezahlt.

Damit spielt er auf die Geschichte an, die geschehen ist. In Israel war es ungerecht zu gegangen. Die Reichen sind reicher geworden. Sie haben den Armen immer mehr weg genommen. Die Propheten haben protestiert: weh denen, die Haus an Haus reihen, die sich ein Sommerhaus und ein Winterhaus bauen. Weh denen, die mit den Armen einen Prozess anfangen und den Richter bestechen. Hart haben die Propheten Israel angeklagt.

Dann kamen die Babylonier, haben Jerusalem erobert, die Menschen verschleppt: Israel hat verstanden: das ist ja unsere Schuld. Bei uns ist es ungerecht zugegangen. Und jetzt hören die Menschen: Die Schuld ist bezahlt. Gott ist euch nicht mehr böse. Es kann neu anfangen.

Israel versteht den Gang der Geschichte. Die Vergangenheit hilft, die Gegenwart zu ertragen. Zum Trost gehört, dass wir die Vergangenheit verstehen.

Und bei uns? Ich nehme wieder die Trauer um einen Angehörigen. Wenn ich als Pastor einen Trauerbesuch mache, dann gehe ich mit den Angehörigen noch einmal das Leben des Verstorbenen durch, wir ordnen es. Ja, das war so, das war der Anfang, das das Ende. Das war der Weg dazwischen. Oft waren die Angehörigen ja ganz dicht beteiligt: sie haben einen lieben Menschen auf dem Weg in den Tod begleitet. Jetzt treten sie einen Schritt zurück und werfen einen Blick auf das Ganze. Die Vergangenheit ordnen, damit ich in die Zukunft gehen kann.

Genau so bei dem Projekt und der Klassenarbeit, die schief gegangen sind. Man muss verstehen, was konkret schief gelaufen ist. Man muss wissen, wie die richtigen Lösungen bei der Klassenarbeit ausgesehen hätten und man muss verstehen, wie das Projekt vielleicht hätte besser gelingen können. Dann kann man sich sagen: jetzt hätte ich es besser gemacht, aber damals war ich aus irgendwelchen Gründen noch nicht so weit.

Zum Trost gehört das Verstehen der Vergangenheit. Verstehen, was mir Kummer bereitet und mich traurig macht.



Die Zukunft ist das dritte. Dass eine Perspektive aufgebaut wird. Beim kleinen Kind zeige ich vielleicht auf etwas Interessantes. Guck mal, was da ist. Die Tränen verfliegen, das Gesicht hellt sich auf, es kann wieder los gehen.

Ganz ähnlich klingt es bei Jesaja: Horch, ein Rufer. Wer aufmerksam horcht, der kann sich nicht gleichzeitig im Schmerz verlieren.

Und dann richtet Jesaja Israel auf die Zukunft Gottes aus. Gott kommt. Bereitet ihm den Weg. Bahnt den Weg des HERRN in der Wüste.

Richtig bildlich stellt Jesaja es sich vor. In der Steppe macht die Straße gerade für unseren Gott! Er beschreibt die neue Straße, die gebaut werden soll, damit das Volk Israel nach Hause kommt. Ich kann mir vorstellen, wie das dem Volk Mut gibt. Sie können wieder anfangen. Es gibt wieder eine Zukunft.

Was tröstet mich, wenn ich traurig bin? Was tröstet jemanden, der einen lieben Menschen verloren hat?

Eine neue Aufgabe, eine neue Perspektive, eine Zukunft gehört dazu.

Darauf kommt es ja an, zum Beispiel bei Ehepaaren, die lange zusammengelebt haben und dann ist einer gestorben – einer, oft die Frau, bleibt zurück. Findet sie für ihr Leben eine Aufgabe? Findet sie einen guten Platz, wird sie gebraucht. Auch darum geht es beim Trösten.

Ähnlich ja bei der Klassenarbeit oder bei dem Projekt. Das müssen wir schnell abhaken, sagen die Trainer, damit der Kopf für die neue Aufgabe frei wird. Das stimmt und man kann es nicht erzwingen. Die Zukunft kann erst frei werden, wenn die Gegenwart tröstlich ist und die Vergangenheit klar wird. Aber es ist sicher: Trost gibt es nur mit einer neuen Perspektive, mit einer Zukunft.



Das heißt Trost: Dasein in der Gegenwart, Verstehen der Vergangenheit und Eröffnen der Zukunft.

Vom Trösten lesen wir in der Adventszeit. Warum gerade da?

Die Adventszeit ist eine Zeit, in der sich die Christen erinnern, wie vieles nicht in Ordnung ist in der Welt.

Das gilt natürlich für die politische Ebene. Es darf nicht sein, dass ein Buch des Glaubens wie der Koran dazu benutzt wird, politische Gegner zu bekämpfen. Die Bibel übrigens auch nicht. Deshalb bin ich skeptisch bei dem, was ich von ägyptischen Verfassung höre.

Es gilt für die Ebene der menschlichen Gemeinschaft. Es darf nicht sein, dass einer Hass und Aggressivität in sich aufbaut, ohne dass jemand etwas dagegen tun kann und dann 28 Menschen tötet wie in dem Massaker in Newton.

Und es gilt auch für die persönliche Ebene. Woher bekomme ich die Kraft, weiter zu gehen? Wer tröstet mich auf meinem Weg? Wer und was gibt mir Energie für den neuen Tag.

Jesaja versucht, sein Volk zu trösten. Er ist von Gott geschickt. Er soll dem Volk sagen: Gott ist da. Gott klärt eure Vergangenheit. Gott öffnet euch die Zukunft.

Die Christen glauben und hoffen: das gilt auch für uns. Er kommt auch zu uns, so dass wir ihn spüren können. Er zeigt uns, dass er da ist. Das hoffen sie, gegen alle Gefühle, die sagen: er ist nicht da.

Christen glauben und hoffen: er klärt meine, deine unsere Vergangenheit. Gegen das Gefühl, dass ich meine Fehler immer wiederhole. Gegen den Eindruck, dass ich meine Chance verpasst habe.

Die Christen glauben und hoffen: er öffnet uns seine Zukunft. Er hat Großes mit uns vor. Wir dürfen den Himmel offen sehen.

Was die Christen glauben und hoffen, hat einen Namen: Jesus. Der öffnet Gottes Gegenwart. Der vergibt uns unsere Schuld. Der schließt die Tür zum Himmelreich auf. Auf den warten wir - nicht nur im Advent.