Predigt am 1. Sonntag nach Trinitatis über Jeremia 23, 16 -24 am 10. Juni 2012

 

 

     16     So spricht der HERR der Heerscharen:

               Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen!

Sie täuschen euch,

               sie verkünden die Schauung ihres eigenen Herzens,

nicht das, was aus dem Mund des HERRN kommt.

     17     Immer wieder sagen sie zu denen, die mich verachten:

Der HERR hat gesagt: Ihr werdet Frieden haben!

               Und zu jedem, der im Starrsinn seines Herzens lebt, sagen sie:

Es wird kein Unheil über euch kommen!

     18     Wer hat denn in der Versammlung des HERRN gestanden,

dass er sein Wort gesehen und gehört hätte?

               Wer hat auf sein Wort geachtet und hat es gehört?

     19     Sieh, der Sturm des HERRN ist losgebrochen als Zorn,

ein wirbelnder Sturm,

               gegen das Haupt der Frevler wirbelt er.

     21     Ich habe die Propheten nicht gesandt,

und dennoch sind sie gelaufen,

               ich habe nicht zu ihnen gesprochen,

und dennoch haben sie geweissagt.

     22     Wenn sie aber in meiner Versammlung gestanden haben,

sollen sie mein Volk meine Worte hören lassen

               und sie zurückbringen von ihrem bösen Weg

und von der Bosheit ihrer Taten.

     23     Bin ich denn ein Gott der Nähe, Spruch des HERRN,

und nicht auch ein Gott der Ferne?

     24     Kann sich einer in Verstecken verstecken,

und ich würde ihn nicht sehen? Spruch des HERRN.

               Fülle ich nicht den Himmel und die Erde?

Spruch des HERRN. (Zürcher Bibel 2007)



Bin ich nicht auch ein Gott der Ferne?

Wer ist Gott?

Jeremia eifert gegen eine Art Taschengott. Einen, den man überall mit hinnehmen kann und der es jederzeit gut meint mit mir und mein Tun rechtfertigt, egal, was ich tue. Ich finde die alte engli­sche King-James Bible übersetzt es wunder­bar: am I a God at hand, saith the Lord, and not a God afar of? Bin ich ein Gott, der zur Hand ist? So fragt Jeremia im Auftrag Gottes.

Oder, noch einmal moderner, ich erinnere mich an ein Lied, das so einen Gott beschreibt: I don't care if it rains or freezes, long as I have my plastic- Jesus riding on the dashboard of my car. Gott, sagt Jeremia, ist ganz bestimmt kein Plastik-Jesus, den du vorne im Auto hast. Gott ist auch ein ferner Gott. Ein heiliger Gott. Der, den kein Mensch sehen kann ohne zu sterben.

Man kann sich natürlich fragen: warum ma­chen die Propheten das? Warum verkündigen die solche Dinge. Ich finde das gar nicht so un­vernünftig.

Die Menschen möchten wissen, wie es weiter geht. Sie möchten sehen, was die Zukunft bringt. Sie fragen die Propheten. Die Prophe­ten sind verantwortliche Menschen. Sie wis­sen: es gibt self-fullfilling-prophecy, selbster­füllende Prophezeiung. Will sagen: wenn man den Menschen sagt: „Das wird böse enden“, dann bekommen sie Angst und es endet böse. Verantwortliche Propheten verkünden eine hel­le Zukunft. Dann wird es in den Menschen hell und die Zukunft wird so, wie sie es angesagt haben.

Ich könnte einen Schritt weiter gehen. Ich könnte sagen: Die Propheten tun doch das, was eine Mutter auch tut. Ihr Kind weint. Da sagt die Mutter: es wird alles gut! Es wird durchaus nicht immer alles wieder gut. Trotzdem würde man sagen: natürlich hat die Mutter Recht, wenn sie so redet. Die Propheten nicht?

Was ist der Unterschied?

Der Unterschied ist die Diagnose. Wie ist die Situation wirklich?

Es gibt eben auch Situationen, in denen eine Mutter sagt: da müssen wir zum Arzt gehen. Vielleicht sagt sie dann trotzdem: es wird alles gut. Aber sie sieht auch zu, dass der Schaden wirklich geheilt wird.

Das tun die Propheten nicht, sagt Jeremia: Pro­pheten und Priester gehen alle mit Lüge umund heilen den Schaden meines Volks nur obenhin, indem sie sagen: »Friede! Friede!«, und ist doch nicht Friede.

Das macht den Unterschied: Ob wirklich Frie­de ist – oder eben nicht. Ob wir so tun, als könnten wir persönlich Frieden mit Gott ma­chen, während wir vom Unfrieden ringsherum nichts wahrnehmen.

Die Diagnose macht den Unterschied. Wie dia­gnostizieren wir unsere Situation? Was sehen wir? Sehen wir das, was vor Gott realistisch ist?

Und gleich gibt es eine neue Schwierigkeit. Was ist denn „unsere“ Situation? Heißt das jetzt „weltweit“? Heißt das: „unsere Gemein­de? Unsere Stadt? Welchen Bereich der Welt soll ich mir denn dazu ansehen?

Für Gemeinde spricht: Jeremia ging es damals auch um „die Gemeinde“. So groß war das Volk Israel nicht.

Aber: Jeremia hat damals auch das Gemeinwe­sen angesprochen. Ist es die Stadt Winsen?

Ich könnte mir unser Land ansehen, so wie Je­remia damals sein Land angesehen hat.

Und ich könnte auch die ganze Erde betrach­ten. Überall leben Christen. Jeremia hat da­mals auch über alle Gebiete geredet, in den Ju­den wohnten.

Was nehme ich also als Vergleichspunkt?

Ich will versuchen, beides im Blick zu behal­ten: die Erde und unsere Gemeinde hier in Winsen. Ich frage: wie ist das mit dem Frie­den? Und dann frage ich auch: wie ist das mit der Gerechtigkeit?

Wie ist das mit dem Frieden?

Es fällt leicht, zu sagen: da ist kein Friede. Auf der Erde werden über 1 Billion € für Rüstung ausgegeben. Ungefähr die Hälfte davon geben die USA aus. Der frühere Präsident Bush hat den Grund so genannt: „Krieg gegen den Ter­ror.“ Denn das ist klar: Im Krieg steigen die Rüstungsausgaben. Es reicht zu denken: „wir sind im Krieg.“

Wenn es in einem Land der sog dritten Welt Schwierigkeiten gibt, dann kann man eben Entwicklungshelfer hinschicken oder Soldaten. Wenn ich denke, wir sind im Krieg, werde ich Soldaten schicken. Und: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es dann heraus.

Ich will damit nicht sagen: Entwicklungshelfer sind immer gut und Soldaten immer schlecht. Aber mit Margot Käßmann finde ich: so lange deutsche Soldaten in Afganistan sind, ist da kein Frieden. Und wenn kein Frieden ist, was kann dann gut sein?

Und wir beteiligen uns: Deutschland ist weiter auf Platz 3 der weltweiten Rüstungsexporteu­re. Leopard Panzer, U-Boote aber vor allem Kleinwaffen. Das Sturmgewehr G36 zum Bei­spiel ist ein echter Exportschlager. Und wer so ein Gewehr in der Hand hat, der schießt leich­ter auf Menschen als einer, der keins in der Hand hat.

Und wir, hier? Wir Christen? Wir in St. Jako­bus?

Es wäre schön, wenn wir sagen könnten: wir bringen das Know-how mit, wie Frieden ge­fördert werden kann. Wir sind geschult in Me­diation. Wir können eine Verhandlung so lei­ten, dass Menschen Koflikte friedlich lösen können.

Wir kommunizieren gewaltfrei. Wir reden so miteinander reden, dass wir uns nicht mit Wor­ten verletzen.

Wir beherrschen die Kunst, Themen so zu vor­zubereiten, dass Menschen Lust bekommen miteinander zu arbeiten und zu lernen – nicht gegeneinander.

Wir bekommen das untereinander hin, nicht perfekt, aber schon mal ganz gut. Deshalb können wir es auch nach außen tragen.

Es wäre schön, wenn wir Christen in in St. Ja­kobus und in Deutschland das überzeugend sa­gen könnten. Können wir das?

Frieden lässt sich nicht von Gerechtigkeit tren­nen. Wir haben keinen Frieden, wenn wir uns nicht gerecht behandelt fühlen. Wie sieht es mit der Gerechtigkeit aus?

Da will einmal anders herum anfangen. Wie sieht es mit Gerechtigkeit hier in der Gemein­de aus?

Wir verteilen ja relativ wenig Geld. Deshalb frage ich mal nach der Ehre. Gehen wir ge­recht mit der Ehre um? Gerecht hieße: ehren wir uns gegenseitig, weil wir Gottes geliebte Kinder sind?

Ehre kann man schwer messen. Wir könnten fragen: wie verteilst du die Ehre in dieser Ge­meinde. Wem gibst du mehr, wem weniger? Wie drückst du das Ehren aus?

Es müsste ja nicht jeder jedem gleichviel Ehre geben. Es müsste auch nicht für jeden gleich­viel dabei herauskommen. Aber: es sollte am Ende genug Ehre für jeden sein. Und das sollte fühlbar und sichtbar werden.

In der Gesellschaft, in der Welt stellte sich eher die Frage nach der gerechten Verteilung des Geldes. Das hängt ja auch mit der Ehre zu­sammen. Viel Ehre in der Welt heißt: Seine Fernsehrechte werden teuer. Er hat viel Geld. Sehen wir ja gerade an den Jungs, die gut Fuß­ball spielen können.

Wahrscheinlich werden nur wenige sagen: das Geld ist gerecht verteilt. Nicht in Deutschland und auch nicht in der Welt.

Können wir da etwas tun?

Zwei Schritte: zum einen sollte uns das gelin­gen mit der Ehre. Dass wir die gerecht unter uns aufteilen. Dass wir uns gegenseitig die Ehre geben, die uns als Kindern Gottes zu­steht.

Und: wir sollten drängeln, dass Ehre und Geld in diesem Land gerechter verteilt werden. Wenn man zB daran denkt, wie viele Kinder eine Erzieherin im Lauf ihres Lebens geduldig begleitet – dann finde ich: da wäre schon mal ein Bundesverdienstkreuz angebracht – ein besseres Gehalt allemal.

Ist Friede? Wird alles gut? Als Christ sage ich: Nein, es ist viel Unfriede und Ungerechtigkeit.

Aber es kann gut werden, denn Gott ist gnädig und von großer Güte. Und mit der Auferste­hung von Jesus beginnt seine neue Welt, in der Gerechtigkeit herrscht – vielleicht auch bei uns.