Predigt am Ostersonntag über 1. Sam 2, 1-8
2 1 Und Hanna betete und sprach:
Mein Herz freut sich am HERRN,
mein Horn ist erhoben durch den HERRN,
mein Mund ist aufgetan gegen meine Feinde,
denn ich freue mich über deine Hilfe.
6 Der HERR tötet und macht lebendig,
er führt hinab ins Totenreich und führt wieder hinauf.
7 Der HERR macht arm, und er macht reich.
Er erniedrigt, aber er erhöht auch.
8 Er richtet den Geringen auf aus dem Staub,
hebt den Armen auf aus dem Kot,
um ihn neben Edle zu setzen,
und einen erhabenen Thron teilt er ihnen als Erbbesitz zu.
Wieso wird das Lied der Hanna zu Ostern gepredigt? Es ist doch schon viel älter. Hanna lebte in der Zeit der Richter, 1000 Jahre vor Jesus. Man kann sagen: Das sind keine 1000 Jahre, das Lied ist ihr nachträglich in den Mund gelegt worden. Aber auch das ändert nichts: lange vor Jesus ist es allemal entstanden.
Jetzt ist es als Predigttext vorgeschlagen. Das heißt: Wir Prediger sollen mit diesem alten Text die Auferstehung von Jesus erklären. Wie geht das?
Antwort: Wenn ich das versuche, dann tue ich das, was die Christen sofort nach Ostern angefangen haben. Zu Ostern sind sie dem auferstandenen Jesus begegnet. Sie haben nicht verstanden, was da passiert war. Wie sollten sie es auch verstehen? Es war ja ganz neu! Etwas, was noch nie da war.
Aber: sie wollten es verstehen. Denn Menschen müssen die Dinge verstehen. Zumindest müssen sie es versuchen. Das menschliche Gehirn ist so gebaut.
Man muss bloß an die Tipp-Systeme beim Lotto denken. Immer wieder denken Menschen: Jetzt hab ich die Regeln. Dabei sind es Zufallszahlen. Aber das menschliche Gehirn ist so erschaffen. Es will Zusammenhänge sehen.
Die Christen mussten die Auferstehung verstehen. Was haben sie getan, um sie zu verstehen?
Sie haben in ihrer Bibel nachgesehen – also für uns im Alten Testament. Und sie haben zum Beispiel das Lied der Hanna gefunden: Der Herr tötet und macht wieder lebendig, er führt hinab ins Totenreich und führt wieder hinauf.
Da haben wir es, haben sie gesagt. So hat schon Hanna gesungen. Das ist der Beweis. So ist Gott. So war er schon immer.
Warum also singt Hanna dieses Lied? Was hat sie erfahren?
Ich erzähle die Vorgeschichte: Hanna wünschte sich Kinder und bekam keine. Sie ging zum Heiligtum und versprach: wenn ich einen Knaben bekomme, wird er Gott geweiht. Und sie gebar Samuel. Er blieb bei ihr, so lange er an der Brust trank, dann brachte sie ihn zum Heiligtum und weihte ihn Gott. Als sie das tut, singt sie dieses Lied.
Keine Kinder bekommen, das ist für sie wie tot sein. Wofür lebe ich noch, wenn Gott meinen Schoß verschließt?
Und die Geburt von Samuel ist für sie wie wieder lebendig werden. Auch, wenn sie ihn hergibt für das Priesteramt. Sie ist jetzt Mutter. Sie hat geboren. Sie fühlt sich vollwertig.
Das ist Sterben und wieder lebendig werden für Hanna. Das passt zur Auferstehung, sagen die Christen.
Das Schöne daran für mich ist: Die Geschichte von der Auferstehung von Jesus wird verglichen.
Früher habe ich gedacht, das darf ich nicht. Ein einmaliges Ereignis – mit nichts zu vergleichen. Man soll die Auferstehung auch gar nicht vergleichen. Es könnte ihre Einzigartigkeit bedrohen.
Die ersten Christen haben das anders gesehen – die, die das Neue Testament geschrieben haben. Ihr Gedankengang war eher so: wir können ruhig nach Vergleichen, Vorzeichen für die Auferstehung suchen. Sie hält das aus. Sie bleibt einmalig.
Es bleibt ja auch etwas ganz Unterschiedliches. Das eine ist eine Frau, die am Ende doch ein Kind bekommt. Das andere ist der Tod, der ein für alle Mal besiegt ist.
Und trotzdem: Für Hanna ist das, was sie erlebt, ein bisschen wie sterben und wieder auferstehen, wie: geführt werden ins Totenreich und wieder zurückkehren ins Land der Lebendigen. „Vor allem“, sagen die Christen: „ist es der gleiche Gott. Jesus weckt er von den Toten auf. An Hanna lässt er schon einmal aufblitzen, was er mit Jesus vor hat.“
Wenn das für Hanna so ist, darf ich das auch in meinem Leben finden: Zeichen der Auferstehung, Zeichen von Ostern.
Zeichen von Ostern, das heißt: in meinem Leben geschehen Dinge, das mich glauben lassen: Gott will, dass ich lebe. Gott begleitet mich. Gott wird am Ende mein Leben mitnehmen durch den Tod zu sich, so wie er Jesus mitgenommen hat, durch den Tod zu sich.
Zeichen von Ostern, das heißt im Lied von Hanna: Er richtet den Geringen auf aus dem Staub, hebt den Armen auf aus dem Kot. Auch das wären solche Zeichen: Wo Arme und Unterdrückte aufgerichtet werden. Wo sie Menschenwürde bekommen.
Für Hanna ist Samuel das Zeichen – dass da ein Kind ist, das sie zur Welt gebracht hat. Deshalb sagt sie: Gott tötet und macht wieder lebendig.
Aber ich muss noch eine Frage stellen. Wieso heißt es in dem Satz: Gott tötet? Wieso heißt es nicht nur: Gott macht lebendig? Tötet Gott auch? Will er nicht das Leben?
Ich glaube: Bei diesem Satz ist es entscheidend, wann er gesagt wird und von wem.
Hanna sagt ihn im Rückblick. Sie hat das Kind geboren, auf das sie so lange gewartet hat. Im Nachherein versteht sie und sieht sie: Gott tötet und macht wieder lebendig.
Vor der Geburt von Samuel hätte sie das wohl nicht so gesagt. Da war sie erbittert, steht da, sie aß und trank nichts. Sie weinte nur. Es gibt eine Ehekrise. Ihr Mann hat das Gefühl: Sie ist völlig auf ihren Kinderwunsch fixiert, sie nimmt nicht ihn mehr wahr. Sie sieht nicht mehr, wie lieb er sie hat. Ärger mit der Geistlichkeit gibt es auch: Sie betet zu Gott so intensiv, dass Eli sie für betrunken hält.
Da hätte sie vielleicht eher gesagt: ich kann es nicht verstehen, das Gott das zulässt.
Aber hinterher sagt sie: er tötet und macht wieder lebendig. Und: nur sie kann es sagen.
Wenn es jemand gesagt hätte, vor der Geburt von Samuel? Es wäre makaber gewesen. „Kopf hoch, Hanna, Gott tötet und macht wieder lebendig.“ Das wäre schlechte Seelsorge!
Und selbst nach der Geburt von Samuel kann es jemand anders nicht einfach sagen: „Siehst du, Hanna, Gott tötet und macht wieder lebendig.“ Auch das wäre ein Übergriff. Auch das geht nicht.
Diesen Satz darf sie nur selber sagen. Oder jemand anders, der etwas Ähnliches erlebt hat. Der darf es über sich sagen.
Den Christen ging es ja mit der Auferstehung ähnlich. Alle Texte sagen: als Jesus gestorben war, waren die Jünger nur verzweifelt. Sie haben es nicht verstanden, was da geschehen ist. Die Emmausgeschichte erzählt: selbst, als Jesus es ihnen erklärt, können sie es nicht begreifen.
Aber dann ist ihnen Jesus als Auferstandener begegnet und sie haben ihn erkannt. Dann ergibt die Erklärung, die er ihnen gegeben hat, mit einmal einen Sinn. Vorher haben sie sie nur höflich anhören können. Es drang nicht zu ihnen durch. Jetzt können sie es verstehen.
Das heißt: Den Satz „Gott tötet“ darf ich nur sagen, wenn ich gleich danach sagen kann: und er macht wieder lebendig. Sonst wäre es nur ein schrecklicher Gott.
Im Zusammenhang kann Hanna das sagen – und dann am Ende auch wir: Gott tötet und macht wieder lebendig. Ich darf es sagen, wenn ich weiß: das Leben ist das Ziel.
Genauso beim Kreuz. Wenn ich weiß, dass Gott Jesus auferweckt hat, dann wird bekommt das Kreuz einen Sinn. Dann bedeutet das Kreuz: auch im Totenreich war Gott. Dann bedeutet das Kreuz: Gott weiß, was es heißt zu sterben. Auch der Tod kann ihn nicht besiegen.
Wenn ich von der Auferstehung weiß, dann kann ich sagen: Musste nicht der Sohn Gottes das alles leiden.
So ist das mit Ostern. Die Christen lesen die Bibel, um zu verstehen, was da geschehen ist. Menschliche Maßstäbe reichen nicht. Sie finden das Lied von Hanna. Hanna singt von Gott, der sie ins Leben führt, als sie wie tot war.
Ja, sagen die Christen, so ist Gott. Durch den Tod geht er seinen Weg ins Leben. Hanna ahnt es. Bei Jesus geschieht es. Wir dürfen es hoffen.